
Letzten Herbst war ich mit der Gruppe Konverter im Tessin. In der kleinen Bibliothek unserer Unterkunft fand sich unter anderem Der Skorpionsfisch (1982) von Nicolas Bouvier (1929–1998); einer aus der Gruppe las uns anderen immer mal wieder aus dem Buch vor, meistens um das Abendessen herum. Wir hörten wundersame Geschichten über Ceylon (heute Sri Lanka). Bouvier war ein Reiseschriftsteller und Fotograf; 1955 lag er mehrere Monate in der Hafenstadt Galle flach: Malaria. In seiner Erzählung mischen sich Realität, Fieberträume und Mythen. Ich hatte den Skorpionsfisch bereits vor einigen Jahren mit Begeisterung gelesen, und mit ebenso viel Begeisterung entdeckte ich ihn neu.
Speziell für mich: Bouviers Buch ist eben ein Reisebericht über Sri Lanka, und während der Tessiner Woche hab ich einen Grossteil meiner eigenen Sri-Lanka-Texte geschrieben. (Freilich halten die keinem Vergleich stand.)
In meinem eigenen Buchregal steht der Skorpionsfisch gleich zweimal: in der Erstübersetzung von Barbara Erni sowie in der Neuübersetzung von Stefan Zweifel. Sobald ich dazu komme, Letztere zu lesen, werd ich was darüber schreiben. Heute jedoch gehts um etwas anderes: Um zwei Bücher von Bouvier über Japan. Das wären die Japanische Chronik (1975) sowie Das Leere und das Volle (2004). Ich hab mir gedacht, dass das ein schöner Vorgeschmack auf meinen eigenen Japanbericht wäre, der demnächst mal folgen soll. (Er wird ebenfalls nicht ans Vorbild heranreichen, aber was soll ich machen.)
Bouvier kam erstmals 1955 nach Japan, direkt von Ceylon her — das erwähnt er dann auch in der Japanischen Chronik. Da beschreibt er, wie er mit der MM Kambodscha im Hafen von Yokohama (nicht weit von Tokio) ankommt. Eine Horde von Journalisten stürzt sich auf die Neuankömmlinge und interessiert sich besonders für den „[…] in Ceylon eingeschifften Irgendwer, der im Schiffsbauch niedrige Arbeiten erledigte, um das Geld für seine Passage zusammenzukratzen […]“ (JC, S. 131). Damals waren Reisende aus dem Westen noch ein Thema von Interesse.
Einer [der Journalisten] war Yuji. „Es wird hart sein, sehr hart, es wird nicht von selbst gehen“, begrüsste er mich […]. „Wissen Sie überhaupt, wie man hier lebt?“
Hart? Hier war es zumindest kühl! Ich hatte acht Monate Tropen hinter mir, wegen der Hitze und der Malaria in einem wurmstichigen Gasthaus eingesperrt, das die Termiten geräuschvoll in Sägemehl verwandelten. Die Luft von Yokohama schlürft man gierig wie Champagner.“
JC, S. 133
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