Attack of the Weekly Links: Fontane, Paul Austers Tod, politische Kariakturen, Comedians und Kafkas Herrlichkeit

Filmkammer des Schreckens: The Thing From Another World | Die Filmkammer-Leute über den Science-Fiction-Klassiker von 1951. Erwähne ich hier jetzt extra, weil die Podcast-Folge den besten Theodor-Fontane-Witz der Saison enthält.

Bestseller-Autor aus Brooklyn: Paul Auster ist tot | In erster Linie war Paul Auster Schriftsteller, er hat aber auch an einer Handvoll Filmen gearbeitet. Wir haben vor einer Weile den Klassiker Smoke sowie den weniger bekannten Begleitfilm Blue in the Face gewürdigt. Böse Pointe: Jetzt ist Paul Auster an Lungenkrebs gestorben.

Satirical Cartoons: A History | Ein Vortrag des Karikaturisten Martin Rowson über die Geschichte der politischen Karikatur. Mit Rückgriffen auf seine eigenen Erfahrungen. Sehr spannend! Hier gehts übrigens zu seiner Website.

Comedians sind keine Intellektuellen | Setup/Punchline über den Kabarettisten Florian Schroeder, dessen Aussagen über den Rechtsextremen Martin Sellner und darüber, weshalb Comedians sich zu Unrecht für Intellektuelle halten.
Ich für meinen Teil befürchte, das hat viel mit George Carlin zu tun, der das Bild des intellektuellen Stand-up-Comedians geprägt hat. Abgesehen davon, dass er selbst auch Unsinn rausgeblasen hat: Die wenigstens Nachahmer kommen an ihn heran. Und so stilisieren sich Leute wie David Chapelle und Ricky Gervais zu subversiven Rebellen, obwohl sie bloss herrschende Vorstellungen wiederkäuen. Stewart Lee oder Hannah Gadsby stellen genau sowas infrage, und kommen bei ihren Kolleg:innen entsprechend schlecht weg.

Herrlichkeit und Kleinigkeiten. Projektionen im Kafka-Jahr 2024 | Sebastian Schirrmeister über Die Herrlichkeit des Lebens, einen Liebesfilm über die Beziehung zwischen Kafka (Sabin Tambrea) und Doria Diamant (Henriette Confurius).
«Warum begeistert dieser „andere“ Kafka, der liebt und lacht, Motorrad fährt und Kartoffeln schält? Ist unser Bedürfnis nach Zuversicht und klaren Botschaften (statt einer kaiserlichen Botschaft, die nie ankommt) so groß, dass wir die hierfür nötigen Ausblendungen und ‚Anpassungen‘ seiner Texte hinnehmen?»
Ich hab den Film auch gesehen, und es ist schon auffallend, wie sehr er Kafka verharmlost. Und dennoch: Jedes Mal, wenn Kafka zitiert wird, macht der Film einen merklichen Niveau-Sprung nach oben, allen Textänderungen zum Trotz.

Drawing on the Right Side of the Brain: Vom Zeichnen zur Emanzipation

Die Anzahl qualitativ wertvoller Bücher zum Zeichnen- und Malenlernen ist umgekehrt proportional zur Gesamtanzahl an Zeichenbüchern, die Verlage Jahr für Jahr auf den Markt werfen.
Die Mehrheit dieser Tutorials ist so aufgebaut, dass sie Anleitungen zum Nachzeichnen thematisch gruppierter Motive bieten. Diese Motive werden auf ihre geometrischen Grundformen reduziert, und in Schritt-für-Schritt-Anleitungen wird den Leser*innen erklärt, wie sie die Motive selber aus diesen Grundformen entwickeln und nachzeichnen können. Was Bücher dieser Art vermitteln, bleibt meist auf einzelne Motive beschränkt, technische Erkenntnisse allgemeiner Natur erlangen Übende eher zufällig. Zudem ist diese Art von Anleitung berühmt-berüchtigt dafür, wesentliche Zwischenschritte auszulassen und am Ende ein besonders beeindruckendes Ergebnis zu präsentieren.

Eines der ersten Memes, das sich über das Phänomen mokkierte. Didaktische Tiefflüge dieser Art sind so häufig, dass sich ihnen ein ganzes Subreddit widmet: r/restofthefuckingowl
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«Madame Web»: Hellseherische Fähigkeiten sind die Hölle

Madame Web ist ein Film aus dem Spider-Man-Universum und erzählt von einer Heldin mit hellseherischen Fähigkeiten. Das Machwerk besteht aus plattesten Klischees und ist von Anfang bis Ende vorhersehbar. Deswegen herrscht, von ein paar Momenten unfreiwilliger Komik abgesehen, bleierne Langeweile. Genau das macht den Film aber auch interessant – denn aus Versehen beweist Madame Web, dass Hellseherei in Realität ein existenzialistisches Grauen bedeuten würden.

My hovercraft is full of spiders

Wenn ich jemandem erzähle, dass ich mir Madame Web angesehen hab, kommt stets dieselbe Antwort: «Hä? Was für ein Film?»

Die wenigen Leute, die davon gehört haben, kennen ihn dank der einen Zeile, welche im Trailer zu hören war: «He was in the Amazon with my mom when she was researching spiders just before she died.» Wunderbar klobig und absurd zugleich. Das Internet hat sich nach Kräften drüber lustig gemacht.

Es handelt sich bei Madame Web um den jüngsten Beitrag aus dem Spider-Man-Universum von Sony Pictures, er gehört also in einen Korb mit Venom (2018) nebst Sequel (Let There Be Carnage, 2021) sowie dem Vampir-Superheldenfilm Morbius (2022).

Theoretisch sind diese Filme ein Teil des Marvel Cinematic Universe, wo der von Tom Holland gespielte Spider-Man rumturnt – aber das Marvel-Universum gehört Disney, und der Sony-Konzern, welcher die Filmrechte am Spinnenmann besitzt, hat diesen nur vorübergehend ausgeliehen. (Es steckt eine lange, komplizierte Geschichte dahinter. Kurzfassung: Der Marvel-Comic-Verlag hat in seiner Geschichte die Filmrechte an verschiedenen Superheld:innen an verschiedene Filmstudios verkauft.)

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traudl

dank dem pictopia-comicladen in wien habe ich diesen wunderschönen comic entdeckt. jetzt möchte ich nicht viel zur geschichte des comics erzählen, weil ich nicht zu viel verraten möchte. sie handelt von traudl, einer bauersfrau, und spielt in einem kleinen österreichischen dorf während und nach dem 2. weltkrieg.

und er ist eine offenbarung, dieser comic. ein meisterwerk nennt es pictopia, und dem kann man sich nur anschliessen. und ich möchte zwar nichts verraten, aber doch so gut wie möglich erklären, warum ich es für ein solches halte.

als erstes ist hier der stil zu nennen. dieser ist ein ganz eigener zeichnungsstil, einfach, simpel und zugänglich. kein strich ist hier zu viel, das schwarz-weiss passt wunderbar dazu. eigentlich ist es ein linien-comic, der fast vollkommen ohne flächen auskommt, ausser, es ist düster. es sind sehr schöne zeichnungen, ohne dass das harte leben am land in dieser zeit idealisiert werden würde. doch der stil passt zu diesem leben, zu dieser zeit. es ist sofort 40er/50er-jahre ohne den hauch von nostalgie, sondern eher in einer seltsamen klarheit, die umso härter trifft, man zahlt für das idyll seinen preis, wenn man es denn als solches empfindet. hier wird eine eigenen welt geschaffen, man darf teil davon sein oder muss, irgendwann will man vielleicht auch nicht mehr.

und es wird auf die zeichnungen vertraut. geschriebener text kommt in dieser bildgeschichte nur vor, wo es ihn wirklich braucht. dabei entsteht eine spannung zwischen der schwere des themas, das verhandelt wird, und der leichtigkeit der erzählung, und die frage, ob eine graphic novel ein so schwieriges thema behandeln kann, steht nicht mal ansatzweise im raum, im gegenteil, sie ist vollkommen obsolet. viel eher kann grad eine solche bildgeschichte sachliche härte und distanz sowie emotionale nähe gleichzeitig schaffen.

dann ist der rhythmus zu erwähnen. vielleicht das wichtigste bei bildgeschichten. erst wenn man einem rhythmisch so perfekten comic wie „traudl“ begegnet, wird einem bewusst, wie in diesem bereich zuweilen geschlampt wird. hier nicht. dabei ist das tempo nicht immer gleich, sondern es wird mal schneller, mal langsamer, aber mit der geschichte, passend zum inhalt, jederzeit kann man sich auf die gewichtung des zeichners verlassen. die dramaturgie verdichtet die ereignisse bis zum schluss, ohne dass man sich dessen so richtig bewusst wird, bzw. erst im nachhinein.

dann die geschichte an sich. sie stellt unter anderem die frage nach dem individuum in zeiten grosser umbrüche einerseits und im alltag andererseits. welche kompromisse sind nötig, welche nicht. es geht um liebe, familie, arbeit, aber auch um die wucht der grösseren historie. ein gute geschichte, die leerstellen lässt, viele dinge werden nicht erzählt, müssen nicht erzählt werden, weil die dinge, die erzählt werden, genug erzählen. und so hat man zeit, sich gedanken zu machen. und wie es ein guter comic möglich macht, kann man „traudl“ bestimmt immer und immer und immer wieder lesen und viele details erst entdecken.

und als letztes möchte ich das zwischenmenschliche erwähnen. die art, wie sich hier menschen begegnen. es menschelt nämlich immer, ob im guten oder im schlechten. dadurch berührt der comic mich sehr und macht es mir nicht möglich, ihn einfach zu konsumieren, sondern zwingt mich zu einer auseinandersetzung mit traudl.

„traudl“ scheint im eigenverlag herausgekommen zu sein, was ich nicht weiss wieso, aber bestellt euch diesen comic bei pictopia in wien. jetzt!

wie gesagt, ich finde es eine wucht. 10 von 10 von ochsen gezogene heuwagen.

Bonusmaterial: Interview mit Albert Huspeka auf Facebook.

Darkest Dungeon Fanart

The Thing from the Stars, Tusche, Farbstift und Touchmarker auf Papier

Pelagic Guardian, Tusche, Farbstift und Touchmarker auf Papier

Fungal Scratcher, Tusche und Farbstift auf Papier
Mammoth Cyst, Tusche, Ölpastell und Touchmarker auf Papier
The Formless Flesh, Tusche, Farbstift und Touchmarker auf Papier
Cultist Priest, Tuschezeichnung auf Papier

Mehr Bilder auf:
instagram.com/benjamin_barry_bernhard/ und
pixelfed.art/i/web/profile/670525628022789021

Attack of the Weekly Links: Harlem Renaissance, Paul Auster, Kafka und Dennis the Menace

Women of the Harlem Renaissance | Vortrag der Historikerin Kate Dossett für Gresham College. Bei der Harlem Renaissance handelt es sich um eine Litearturbewegung schwarzer Künstler:innen in den 20er- und 30er-Jahren. Ich hab letztens den Roman Passing (1929) von Nella Larsen angefangen, die in dieser Welt unterwegs war.
Dossett legt den Fokus auf Larsen und die anderen Frauen der Harlem Renaissance und macht anschaulich, wie diese immer wieder übergangen und zum Schweigen gebracht wurden, mehr noch als ihre männlichen Kollegen. Ein interessantes Fallbeispiel für systematischen Rassismus und Sexismus.
Es geht dann aber auch darum, wie sich Larsen und Co. gewehrt haben, und um die Neubewertung, die inzwischen eingesetzt hat.

Shallow Graves | Kulturjournalist James Wood (keinesfalls zu verwechseln mit dem Schauspieler James Woods) nimmt Paul Austers Buch Invisible zum Anlass, um über den Autor abzuranzen. «Although there are things to admire in Auster’s fiction, the prose is never one of them.»
Oder: «What Auster often gets instead is the worst of both worlds: fake realism and shallow skepticism.» Autsch.
Auster kenn ich natürlich nicht seiner Bücher wegen, sondern wegen der Filme Smoke und Blue in the Face.
Auf Woods Auster-Kritik bin ich via 54 Books gestossen.

Hier spricht das Auskunftsbüro für Männer in der Krise | Julia Zutavern schreibt für die WOZ über die Miniserie Kafka und wirft einen Blick auf die literarische Kafka-Verklärung.
«Ein Blick in Franz Kafkas bekannteste Werke reicht, um zu erkennen, dass diese weniger über «den» Menschen Auskunft geben als über den bürgerlichen Mann in seiner ewigen, damaligen und heutigen Krise.»
Das ist schon ein wenig böswillig verkürzt, aber Zutavern hat recht damit, dass man gerade im Kafkajahr 2024 (sein Tod ist 100 Jahre her) nicht jede Würdigung unkritisch mitmachen muss.

The Dennis the Menace Creator was a Shockingly Bad Man: Part One und Part Two | Der Podcast Behind the Bastards über den Cartoonisten Hank Ketcham (1920–2001), Erfinder des Comicstrips Dennis the Menace, der seit 1951 läuft und bis heute von Ketchams Nachfolgern gezeichnet wird.
Als Gesprächsgast ist Randy Milholland dabei, seinerseits Schöpfer des Webcomics Something Positive und aktuell der offizielle Popeye-Cartoonist.
Hank Ketcham war jetzt keins der grossen Ungeheuer der Weltgeschichte, aber ein Charakterschwein von einem derartigen Kaliber, dass es einen immer wieder aufs Neue überrascht.

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Da die Inhaltswarnung des Spiels The Suicide of Rachel Foster selbst zu wünschen übrig lässt, sei an dieser Stelle besonders deutlich darauf hingewiesen, dass im Spiel Grooming, sexueller Machtmissbrauch und Suizid vorkommen. Die folgende Rezension enthält Spoiler für das ganze Spiel und für ein Detail des Horror-Adventures Detention.

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Slay the Princess: Fanart

Slay the Princess ist ein narratives Indiegame im Visual Novel-Stil des Studios Black Tabby Games, das im Herbst des letzten Jahres erschienen ist und grandiosen Kunststil mit einer originellen Unterwanderung der „Damsel in Distress“-Trope verbindet.

Graphit auf Papier, A4.

Achtung: Die nachfolgendenden Bilder enthalten Darstellungen von Blut, Verstümmelung und Selbstverletzung

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