Kinorückschau 2015: Der Auswurf

Jaja, schon gut, zurzeit wuchern die Jahrelisten im Internet, gerade auch die Kinolisten. Aber verdammt nochmal, ich will auch! Und zumindest habe ich gewartet, bis das betreffende Jahr auch tatsächlich vorbei ist, nicht wie diese ganzen prematuren Möchtegerns. Hier sind sie also, die miesesten Streifen, die ich 2015 gesehen habe (wo ich schonmal etwas drüber geschrieben habe, gibt’s Links). Nachdem ich diese aus dem System habe, folgt die Liste der besten Filme.

 
Unlobende Erwähnungen

Life: Eigentlich ist dieser Film über den letzten Fotoshoot von James Dean gar nicht so schlecht und insbesondere Robert Pattinson spielt die Rolle des Fotografen grandios (ähnlich wie einst Brad Pitt oder Leonardo DiCaprio wird er zu unrecht als blosser Hollywood-Schönling abgestempelt). Aber Dane DeHaan ist in der Hauptrolle die Fehlbesetzung des Jahrhunderts.

The Little Prince: Die zugrundeliegende Story wurde wunderschön mit Puppenanimation umgesetzt – soweit sie es in den fertigen Film geschafft hat. Denn das Augenmerk gilt hier in erster Linie der so drögen wie fantasielosen Rahmengeschichte um ein Mädchen und einen alten Piloten.

Child 44: Ein guter Film steckt hier drin: Tom Hardy spielt einen Ermittler, der in der Sowjetunion der 1950er die Spur eines Kinderschänders verfolgt. Das kommunistische System legt ihm jedoch eine Menge Steine in den Weg, nur ein alter General (Gary Oldman) kommt ihm zu Hilfe. Leider kann man den Film keine Sekunde lang ernst nehmen, da die Schauspieler allesamt ein Englisch mit russischem Akzent sprechen. Besonders Gary Oldman, dem man seine Britishness allen Versuchen zum Trotz deutlich anhört, ist ein Lachschlager. Unfassbar.

Jetzt aber zu den Preisträgern:

 
6. Halbe Brüder
Es gibt nichts Deprimierenderes als schlechte Komödien. Adam Sandlers Pixels habe ich in weiser Voraussicht ausgelassen (das Risiko, ein Meisterwerk zu verpassen, geh ich willentlich ein), aber Mall Cops 2 war schlimm genug. Happy Madison Production ist echt das cinematische Pendant zu ISIS.
Dagegen ist Vacation (ganz ohne Sandler) immerhin spannend, wenn man ihn als Experiment anschaut: Wie muss man sich eine Komödie vorstellen, die von Leuten ohne jeden Humor gemacht wurde?
Der diesjährige Gipfel der Unlustigkeit ist schliesslich Halbe Brüder. Was Adam Sandler für Amerika ist, ist Til Schweiger für Deutschland – nur dass die Komödien aus seinem Umfeld halt die noch grösseren Schwarzen Löcher des Lachens sind.

5. The Longest Ride (Kein Ort ohne Dich)
Ich habe lange überlegt, ob ich hier nicht besser 50 Shades of Grey anführen sollte – aber erstens wäre das viel zu vorhersehbar und zweitens erscheint E.L. James als Waisenmädchen, wenn man ihr Schaffen mit Nicholas Sparks‘ Romanzenfabrik vergleicht. Geht es darum, Frauen Mist anzudrehen, ist er immer noch der King, in Buchläden und Kinos gleichermassen. The Longest Ride erzählt die Liebesgeschichte zwischen einer Kunststudentin und einem Bullenreiter – von den sterilen Liebesszenen bis zum hanebüchenen Happy End eine einzige Unerquicklichkeit. Wirklich erschütternd ist jedoch das infantile Verständnis von Liebe und Romantik.

4. Heidi & Schellen-Ursli
Zwei zum Preis von einem: 2015 war kein gutes Jahr für Schweizer Kinderbuchklassiker. Auf der einen Seite litt der neue Heidi-Film darunter, dass er zu nah an der Vorlage blieb. Was sich Johanna Spyri vor über 130 Jahren ausgedacht hat, funktioniert heute einfach nicht mehr – und in dem Versuch, beide Romane in einem Film zu verwursten, stolpern die Filmemacher über die eigenen Füsse. Auf der anderen Seite stand Xavier Koller vor dem gegenteiligen Problem: In dem Versuch, das dünne Bilderbuch über den Schellen-Ursli zu einem Spielfilm aufzublasen, hat es alles geopfert, was dessen Charme ausmachte, und aus der stillen kleinen Geschichte das Kinderfilmpendant zum Lord of the Rings gemacht. Aber auch hier kommen die Probleme schon mit der Vorlage: die Botschaft von Schellen-Ursli besteht darin, dass der am tollsten ist, der die grösste Glocke hat. Punkt. Das ist auch nicht besser als der platte religiöse Subtext von Heidi.
Ich bin dafür, dass wir Heidi und Ursli in Frieden ruhen lassen und zeitgemässere Geschichten für unsere Kinder suchen.

3. Unfriended
Der Horrorfilm war immer schon ein Sammelbecken für Filmmüll, aber seit dem Erfolg von Paranormal Activity fällt es schwer, nicht jede Hoffnung für das Genre aufzugeben. Unfriended ist ebenfalls ein Found-Footage-Streifen, der aus billigen Schockeffekten und schreienden Idioten besteht – und Unmengen von Geld eingespielt hat. Einigermassen interessant wäre das Gimmick, dass sich die ganze Handlung während einer Skype-Session abspielt, ja schon. Aber Unfriended ist ein Paradebeispiel dafür, was mit guten Ideen passiert, wenn sie Schwachköpfen in die Hände geraten. (Talentierte Leute machen hingegen so etwas daraus.)

2. Victoria
Und wenn wirs schon von Gimmicks haben: Victoria war der diesjährige Kritikerliebling, weil der Film in einer einzigen Einstellung gedreht wurde. Was durchaus eine beachtenswerte Leistung ist, aber von anderen Filmen schon viel besser gemacht wurde. Birdman zum Beispiel setzt das Stilmittel nicht nur ungleich spektakulärer und technisch versierter um, es ist dort auch notwendig für die Story – während bei Victoria die ungebrochene Einstellung auf Kosten der Handlungslogik geht und die Laufzeit unnötig in die Länge streckt. Kommt hinzu, dass Victoria die mit Abstand schlechtesten Darstellerleistungen des Jahres enthält („Fuck!“ = Intensität). Selbst bei Boyhood hab ich die Begeisterung eher verstanden.
Es spricht ja für sich, dass mir bei Birdman beim Gang ins Kino gar nicht klar war, dass der Fim auf die Art gedreht wurde, während bei Victoria die gesamte Werbekampagne darauf aufbaute.

1. Ich bin dann mal weg
Seit diesem Jahr finde ich Hape Kerkeling sogar noch unsympathischer als Til Schweiger (auf Platz drei kommt Hitler). Vor einer Weile schon musste der Unterhaltungskünstler aufgrund von Überlastung eine Arbeitspause einlegen und nutzte diese, um eine Wallfahrt auf dem Jakobsweg zu unternehmen. Darüber hat er dann ein Buch geschrieben, in dem er von seinen Reiseerlebnissen und seinen Gedanken über Gott berichtete – eine unerträglich banale Nabelschau, die mich umso wütender machte, weil Kerkeling dem Irrtum erlag, etwas von Bedeutung auszusagen. (Das Buch war übrigens das erfolgreichste deutsche Buch der Nachkriegszeit.)
Die Kinoadaption nun ist sogar noch seichter als die Vorlage: Eine Abfolge von Bildern wie aus dem Ferienkatalog, eine Parade von lahmen Humorversuchen und Kalendersprüchlein für schlichte Gemüter, begraben unter aufdringlicher Musik und einem ebenso aufdringlichen Erzähler. Ein Film, der tausend Jahre zu dauern scheint und einem dabei jede Lebensfreude aussaugt. Gott sei uns allen gnädig.

 
 
O Mann, das klang jetzt alles ganz schön grummelig und gehässig. Aber versprochen, damit hab ich mir die Verbitterung des Jahres von der Seele geredet. Morgen teile ich meine Begeisterung für die besten Filme von 2015.

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