Kinorückschau 2022: Die Mozartkugeln für die Seele

Die schlechtesten Filme des vergangenen Jahres haben wir bereits hinter uns gebracht, jetzt kommen die besten.
Wo ich schon mal was über den entsprechenden Film geschrieben hab, gibts eine Verlinkung.
Nun aber los.
 
 

9. Soul of a Beast
Liebesfilm von Lorenz Merz, CH 2021, 100 Min.

Ein alleinerziehender junger Vater verliebt sich in die Freundin seines besten Freundes: Das wird erzählt als eine märchenhafte Lovestory mit tollen Bildern, Anspielungen auf Wong Kar-wai, Samuraifilme und Co. Zürich hat noch nie so aufregend ausgesehen. Genau mein Ding.

Auf der anderen Seite: Die Begeisterung für den Film hat mir selbst eine (nicht ganz unberechtigte) Kritik von der WOZ eingebracht. Autsch.

 
 
8. Corsage
Historienfilm von Marie Kreutzer, Ö/Lux/D/F 2022, 112 Min.

Sisi modern: Vicky Krieps spielt die Kaiserin als alternde Regentin, die die Schnauze voll hat von ihrem Job. Wobei sie in ihrem Aufbegehren längst nicht immer sympathisch rüberkommt.
Nebenher ist Corsage als Historienfilm interessant, weil er Historienfilme als solche hinterfragt, etwa mit dem bewussten Einarbeiten von Anachronismen.

Kommenden März startet übrigens Sisi & ich von Regisseurin Frauke Finsterwalder (Finsterworld). Der dürfte auch interessant werden.

 
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Kinorückschau 2022: Die Kröten, die man schlucken muss

Jetzt ist es wieder passiert: Zwölf Monate sind rum! Für mich ein Anlass, einen Blick zurück aufs vergangene Kinojahr zu werfen. Das Konzept bleib sich gleich: Erst die Filme, die ich schlecht fand, danach die guten.
In der Worst-Kategorie haben sich sechs Kandidaten durchgesetzt, in der Best-Kategorie werdens ein paar mehr sein. Naja, fangen wir an.

 

Tadelnde Erwähnung: Rotzbub: Willkommen in Siegheilkirchen
Animationsfilm von Marcus H. Rosenmüller und Santiago López Jover, Österreich 2021, 85 Min.
Eine animierte Kindheitsgeschichte im Österreich der Nachkriegszeit, lose basierend auf dem Leben und Werk des Cartoonisten Manfred Deix (1949–2016). Deix malte sehr kunstvoll menschliche Hässlichkeit, im Film ist davon die Hässlichkeit übrig geblieben. Dazu gibts seichte Satire und abgeschmackte Komik. Filmische Leichenfledderei.

Bin nach einer halben Stunde aus dem Kino raus, daher kriegt das Machwerk keinen offiziellen Schlechtesten-Platz. Heisst umgekehrt: So übel das restliche Zeug auf der Liste auch ist, zumindest hab ichs bis zum Abspann durchgehalten.

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Kinorückschau 2021: Der Honig, der runtergeht wie Öl

Nachdem ich die schlechtesten Filmen des Jahres abgehakt haben, folgen nun meine Lieblinge.

Dieses Mal mach ich es ein bisschen wie die Oscars: Am Ende kommen die fünf Allerbesten, vorher gibts aber Trostpreise in verschiedenen Kategorien.

Hinweis: Wo ich schon mal was geschrieben (oder gesagt) hab, verlinke ich darauf. Ansonsten kommt einfach der Trailer.

 

Bestes Superheld:innen-Abenteuer

Spider-Man: No Way Home
Superheld:innen-Film von Jon Watts, USA 2021, 148 Min.

Multiversumsgeschichten sind immer ein grosser Spass, und in diesem Fall gibts dazu ein Wiedersehen mit alten Bekannten wie Alfred Molina als Doc Ock und Willem Dafoe als Green Goblin etc. Erstklassiger Fanservice für Spider-Man-Fans.
(Der Wehrmutstropfen bleibt aber, dass Spider-Man: Into the Spider-Verse eine ähnliche Idee besser umgesetzt hat.)

 

Beste Landschaftsaufnahmen

The Power of the Dog
Western von Jane Campion, USA/Neuseeland/GB/Ka 2021, 126 Min.

Der Netflix-Western hatte auch eine Auswertung in den Kinos. Verdientermassen. Bildgewaltige Inszenierung von Jane Campion (The Piano). Benedict Cumberbatch als steinharter Cowboy, der eine Frau (Kirsten Dunst) und ihren Teenager-Sohn quält. Cumberbatch ist super, Kodi Smit-McPhee als Teenager-Sohn noch besser.
Und dann die Landschaftsbilder! Häuser verlieren sich in unendlichen Weiten, knorzige Berge trumpfen über allem. Bemerkenswert: Der Film spielt in Montana, wurde aber vollständig in Neuseeland gedreht. Weswegen er auch dann diese leichte Lord-of-the-Rings-Haftigkeit hat.

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Kinorückschau 2021: Die Krümel unter den Fussnägeln

Halten wir mal Rückschau auf das vergangene Filmjahr. Dank Corona war wieder vieles anders: Die Schweizer Kinos konnten erst im April aufmachen, die Solothurner Filmtage mussten online stattfinden, das Kino Frosch im Zürcher Niederdorf wurde endgültig geschlossen.

Seither läuft alles mehr oder weniger in gewohnten Bahnen, auch wenn die Säle eher schlecht gefüllt sind. Immerhin, der massive Erfolg von No Time to Die zeigt, dass Bond nicht nur die Welt, sondern auch das Kino retten kann.

So weit, so gut. Noch besser: Unter den Filmen, die ich im Kino sah, gabs viele gute. Bevor wir zu denen kommen, liste ich aber den Bodensatz auf.

Hinweis: Wo ich mal was geschrieben habe, verlinke ich das Geschriebene, ansonsten einfach den Trailer zum entsprechenden Film.

 
Tadelnde Erwähnung

  • No Time to Die: Von wegen Retter des Kinos. So richtig schlecht ist der zwar nicht. Aber dieser längste aller Bond-Filme (2 Stunden, 43 Minuten) kommt einem auch so vor. Als Abgesang auf die Ära Craig eher verunglückt. Kein «Schön wars!», sondern ein «Endlich vorbei!».
  • The Matrix Resurrections: Ein Film, der derart unnötig ist, dass sich konsequenterweise die Handlung darum dreht, wie unnötig der Film ist. Immerhin, das Wiedersehen mit Keanu Reeves und Carrie-Anne Moss macht einiges wett.
  • The French Dispatch: Schon klar, dass ich mit Wes Andersons Stil wenig anfangen kann, ist meine eigene Schuld. Aber wie er hier politische Themen systematisch entpolitisiert, ist ganz objektiv eine niederträchtige Nummer.
  • Es ist nur eine Phase, Hase: Hätte ich diesen Film mehr als 30 Minuten durchgehalten, wäre er fraglos auf dem ersten Platz gelandet.

Kommen wir zu den echten Lowlights des Jahres. Trommelwirbel!

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2020: Lets blick zurück

Na, fandet ihr 2020 auch so toll wie ich? Um dieses grandiose Jahr angemessen zu verabschieden, möchte ich zurückblicken und ein bisschen darüber reminiszieren, was auf diesem kleinen Blog so los war. (Sprich: Eigenwerbung machen, um die Klickzahlen noch etwas nach oben zu treiben. Das Jahressoll muss erfüllt werden.)

 
Ausstellungen und Kunst

Japanische Farbholzschnitte sind immer wieder ein Thema bei mir, auch dieses Jahr. Besonders gefielen mir Hide Kawanishi und seine Ansichten von Kobe sowie die Online-Bilder der Mokuhankan Collection.

Aus Japan nach Europa: Französische Miniaturen aus Russland.

Einen zwiespältigen Eindruck hinterliess die Ausstellung Jenseits von Lachen und Weinen im Zentrum Paul Klee. Da wurde Klees Werk dem von Jacques Ernst Sonderegger und Charlie Chaplin gegenübergestellt. Kurz gesagt: Chaplin war hier überflüssig.

Gabs Winkelried wirklich? Diese und andere Fragen zur Schweizer Geschichte (und Geschichtsschreibung) beantwortete die Zentralbiliothek mit der Ausstellung Krieg und Frieden. Bilderchroniken aus der Frühzeit der Alten Eidgenossenschaft.

Einen Blick hinter die Kulissen der Kunstproduktion bot Kollege Saile mit seinem Atelierbesuch bei Mathias Bernhard.

 
Buch und Literatur

Gleich zwei Vernissagen gabs: Eine zu Fabian Schwitters nicht ganz hundert
fünfzeiler
, und eine zu Albrecht Füllers Troglodyt — dazu haben wir sogar eine ganze Fernsehsendung produziert.

Eine überraschende aktuelle Lektüre war Vernor Vinges A Fire Upon the Deep, ein Science-Fiction-Roman von 1992 über den Internet-Wahnsinn angesichts einer Viruspandemie.

Böll schreibt über Dostojewski, der über Sankt Petersburg schreibt: Eine schöne Stadt- und Schriftsteller-Küngelei.

Kollege Barry hat sich ein bisschen aufgeregt über Forschungsliteratur zu Anarchismus. Und das dann gleich noch einmal. Gefallen hat ihm immerhin Christlicher Anarchismus. Facetten einer libertären Strömung.

Vernor Vinges Science-Fiction-Roman war nicht das einzige Buch, das dieses Jahr plötzlich aktuell wurde: Zum Anlass einer Serien-Neuverfilmung hab ich mich noch einmal mit Stephen Kings The Stand beschäftigt. Uffza. Bitte nie wieder.
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Kinorückschau 2019, Teil 2: Jubel, freu!

Meine Schlechtestenliste von 2019 hab ich bereits gepostet. Jetzt sind jene Filme dran, dich ich wärmstens weiterempfehle:

 
7. Godzilla: King of the Monsters
Die Reaktionen von Kritik und Publikum waren ja gleichermassen verhalten, aber das grosse Haudraufspektakel, in dem sich Godzilla und Mothra mit Rodan und King Ghidorah prügeln, bot so ziemlich alles, was ich von einem anständigen Godzilla-Film erwarte (inklusive völlig überflüssigem menschlichem Drama).
Bleibt mir vom Leibe mit Marvel, DC oder Star Wars – Godzilla ist für mich der Held des Blockbusterkinos.
Im November 2020 soll übrigens Godzilla vs. Kong starten, und ich drücke sämtliche Daumen, dass das auch wirklich zustande kommt.

 
6. Ride Your Wave
Es spricht sich ja mehr und mehr herum, dass der Japaner Masaaki Yuasa ein fantastischer Zeichentrickregisseur mit einem ganz eigenen Stil ist. Quasi der coole junge Miyazaki.
Ride Your Wave ist für Yuasas Verhältnisse noch halbwegs bodenständig: Eine junge Frau und ein junger Mann lernen sich kennen und lieben; er kommt bei einem Unfall ums Leben, sie kann ihn aber mit einem Song heraufbeschwören – es braucht einfach etwas Wasser, in das sein Geist fahren kann.
Es ist bewundernswert, was der Regisseur alles aus dieser Prämisse herausholt. Und wie nahe einem die Geschichte bei aller Schrägheit geht.

 
5. Le voyage de Bashô
Apropos Japan: In diesem Jahr hab ich mich viel mit japanischer Kunst auseinandergesetzt, und Le voyage de Bashô ist verantwortlich dafür. Der Schweizer Richard Dindo zeigt den Dichter-Mönch Bashô bei seinen Reisen, während aus dem Off Ausschnitte aus seinem Werk zu hören sind: Reiseberichte und Haikus. Still, meditativ, witzig.
„Im Schnee und im Sand kann man vom Pferd fallen, wenn man zu viel Sake getrunken hat.“

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Kinorückschau 2019, Teil 1: Pfui, bäh!

Die Spielregeln dürften inzwischen bekannt sein: Zum Jahresende blicke ich zurück auf all die Filme, die ich im Kino gesehen habe, und überlege mir, welche ich am schlechtesten fand und welche am besten.
Zuerst das Zeug, das zusammen mit dem Geschenkpapier und den explodierten Tischbomben in den Abfall wandert:

 
8. Green Book
Der grosse Oscargewinner ist toll gespielt, herzerwärmend und lustig – und ziemlich verlogen.
Drehbuchautor Nick Vallelonga hat die Geschichte seines Vaters Tony Lip aufgeschrieben, der in den 60ern als Chauffeur für den schwarzen Jazzpianisten Don Shirley arbeitete. Das ist progressiv gemeint, zementiert aber in erster Linie Vorurteile. So bringt Tony Dr. Shirley die Freude an Brathähnchen bei, wodurch dieser zu den Wurzeln seiner (schwarzen) Kultur zurückfindet. Um das auf die Art erzählen zu können, wird Don Shirley grob verfälscht dargestellt — seine Angehörigen haben den Film als „Symphonie von Lügen“ bezeichnet.
Green Book interessiert sich nie wirklich für Rassismus, sondern ist gedacht als Wohlfühlgeschichte für Weisse und bewegt sich damit in der unrühmlichen Tradition von Crash (2004), The Blind Side (2009) oder The Help (2011).

 
7. Bruno Manser: Die Stimme des Regenwaldes
Das Biopic erzählt vom Basler Bruno Manser, der sich für die Indigenen in Malaysia einsetzte und am Ende im Dschungel verschwand. Ähnlich wie Green Book ist auch Bruno Manser gut gemeint, aber unreflektiert. So lassen die Filmemacher das Volk der Penan von Manser erzählen, als sei er einer ihrer Götter, und reproduzieren darüber hinaus ein romantisiertes, verkitschtes Bild von den Indigenen und dem Regenwald.

 
6. Hellboy
Nach Hellboy (2004) und Hellboy II: The Golden Army (2008) hatten sich Regisseur Guillermo del Toro und der Urheber der Comicvorlage, Mike Mignola, zerstritten. Das Reboot von 2019 sollte einen Neubeginn bieten, der näher an der Vorlage dran ist. Herausgekommen ist eine wirre, lieblose Story voller Pennäler-Humor. Grösste Krux aber: Der neue Hellboy-Darsteller, David Harbour, hat nicht einmal ansatzweise das Charisma seines Vorgängers Ron Perlman.

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Kinorückschau 2018: Das feine Textil

Hier gibts das Gelumpe des vergangenen Kinojahres.
Nun aber meine Favoriten von 2018 – jene Filme, die mich wieder mit der Welt versöhnt haben. Wo ich schon mal etwas über ein Werk geschrieben habe, gibts jeweils einen Link.

12. The Florida Project
Von Sean Baker, USA 2017; 111 min.
Einen Steinwurf von Disney World entfernt liegen ein paar farbenfrohe, aber heruntergekommene Hotels. Hier leben allerlei gescheiterte Existenzen, und deren Kinder stellen jede Menge Unsinn an. Während der Film von ihrem Alltag erzählt, bleibt er ganz auf der Augenhöhe der Kleinen – ob sie nun Eiscreme schnorren oder ob der Hauswart (Willem Dafoe) einen Pädophilen verscheucht. Und ganz nebenbei nimmt Sean Baker (Tangerine) den American Dream subtil, aber böse auf die Schippe.

11. A Ghost Story
Von David Lowery, USA 2017; 92 min.
Ein Mann (Casey Affleck) stirbt bei einem Unfall. Danach wandelt er als Gespenst durch die Gegend – ganz klassisch unter einem Leintuch mit ausgeschnittenen Augen. Der Geist beobachtet seine trauernde Frau (Rooney Mara) oder triezt die Leute, die nach ihrem Auszug das Haus übernehmen. Das hätte ganz leicht ein elend sentimentaler Streifen werden können, aber Regisseur und Drehbuchautor David Lowery legt das richtige Mass an Zurückhaltung an den Tag. Ausserdem vertreibt der Trick mit dem Leintuch jeden Hauch von Kitsch.

10. Birds of Passage
Von Cristina Gallego und Ciro Guerra, Kolumbien/Dänemark/Mexiko 2018; 125 min.
Kolumbien in den 60ern: Vor Escobar und dem Kokainkrieg war der Marihuana-Boom. Ein Eingeborenenstamm wird darin verwickelt. Das kolumbianische Drama ist ein Gegenentwurf zu amerikanischen Drogenthrillern; hier werden keine Drogenbarone verherrlicht, sondern wird der Untergang einer Gesellschaft analysiert. Dazu gibts einen zutiefst faszinierenden Einblick in die Gedanken- und Lebenswelt des indigenen Volkes der Wayuu.

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Kinorückschau 2018: Das Gelumpe

Ein Jahr ist um, viele Filme sind ins Kino gekommen. Dies ist mein Rückblick auf das ganze Zeug, das ich gesehen habe. Auf jene Werke, die mir in Erinnerung geblieben sind – die einen positiv, die anderen weniger positiv. Bei den Filmen, über die ich schon mal schrob, gibts jeweils einen Link. Hier nun aber: Der cineastische Ausschuss von 2018.

10. Fantastic Beasts: The Crimes of Grindelwald
Von David Yates, GB/USA 2018; 134 min.
Mit den Harry-Potter-Filmen hab ich noch nie viel anfangen können, und den ersten Fantastic-Beasts-Film fand ich bestenfalls knapp tolerabel. The Crimes of Grindelwald ist immerhin nicht ganz so mühsam im Humor und etwas weniger verlogen, aber die Story ist ein sinnloses Durcheinander, bei dem schon die meisten Fans den Faden verlieren, geschweige denn ich. Darüber hinaus find ich J. K. Rowlings Rumreiten auf der Nazi-Metapher (Pure-blood und so) nicht nur ermüdend (das hatten wir alles schon mit Voldemort), sondern allmählich absolut fehlplatziert (das ist Fantasy, keine Holocaust-Doku).

9. Sicario: Day of the Soldado
Von Stefano Sollima, USA 2018; 122 min.
Im Grunde schafft es Sefano Sollima (Suburra) ganz gut, die Atmosphäre totaler Hoffnungslosigkeit einzufangen, die Denis Villeneuves ersten Teil so spannend machte. Aber schon dieser Film bediente ein reaktionäres Weltbild (Mexiko = Höllenloch), bei Day of the Soldado ists noch schlimmer. Und vor allem leistet sich diese Fortsetzung einen Fall erzählerischer Feigheit, wie zumindest mir noch kein schlimmerer untergekommen ist.

8. I Feel Good
Von Benoît Delépine und Gustave Kervern, Frankreich 2018; 103 min.
Ein Typ (Jean Dujardin) macht eine Lebenskrise durch und sucht deswegen bei seiner Schwester (Yolande Moreau) Unterschlupf. Mit einer bescheuerten Geschäftsidee bringt er deren Leben durcheinander. I Feel Good war der letzte Film, den Carlo Chatrian als Leiter des Filmfestivals Locarno für die Piazza Grande auswählte. Was für ein Abschied! Ich hasse Komödien, die ihren Möchtegern-Humor daraus ziehen, dass eine Nervensäge normalen Leuten auf den Sack geht, und I Feel Good ist ein besonders penetrantes Beispiel dafür.

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Kinorückschau 2017: Die Lustwiese der Ehre

Nachdem wir die schlechtesten Filme des Jahres durchgegangen sind, kommen wir zu den besten — jene Werke, die mich wieder damit versöhnen, dass ich den hoffnungslosen und unrentabeln Beruf des Filmkritikers ausübe. Jene Werke, die ich euch hiermit ans Herz lege.

 
13. Blue My Mind (Lisa Brühlmann, Schweiz 2017)
Ein Coming-of-Age-Drama über ein Zürcher Mädchen, das mit der Pubertät nicht nur die Sexualität für sich entdeckt, sondern an sich auch eine unheimliche Verwandlung feststellt. Die Dialoge klingen zum Teil furchtbar künstlich, teils aber auch herrlich natürlich: „Chli Cheekbones zeige!“ Ich habe ja den Verdacht, dass das damit zusammehängt, wie stark sich die Schauspieler ans Drehbuch halten – denn gerade die erwachsenen Professinellen sind kaum zum Aushalten. Aber vielleicht ist das auch grad die Absicht, und vielleicht täusche ich mich sowieso.
Wie dem auch sei: Sowohl in den gelungenen wie auch weniger gelungenen Momenten ist Blue My Mind ein erinnerungswürdiges Teenager-Märchen. (Wenn der Schweizer Filmnachwuchs künftig mehr sowas produziert und weniger 08/15-Sozialdramen, weisch wie wär ich froh!)

12. Rue de blamage (Aldo Gugolz, Schweiz 2017)
Jedes Mal, wenn ich von Zürich aus nach Luzern fahre, seh ich vom Zug aus die Statue auf dem Kreuzstutz-Kreisel: Ein riesiger Mann aus Beton mit blauen Metallstangen in den Händen. Was es damit auf sich hat, erfährt man in diesem Dokumentarfilm, und auch, was sich sonst so tut und was für Leute da leben an der Baselstrasse (dem Ghetto von Luzern). Regisseur Gugolz kommt erstaunlich nah ran an die Leute, ohne zum Voyeur zu werden; diese Balance muss man erst einmal hinbekommen.

11. Atomic Blonde (David Leitch, USA/Deutschland/Schweden 2017)
Dieses Jahr kam ja leider kein neuer Film von Nicolas Winding Refn ins Kino, aber Atomic Blonde ist the next best thing: Mit dem 80er-Jahre-Soundtrack, den neon-düsteren Bildern und der knallharten Gewalt erinnert diese James-Bond-Variation stark an das Werk des Dänen. Refn für den Mainstream, sozusagen. Charlize Theron empfiehlt sich nach Mad Max: Fury Road und diesem Film als weibliche Actionheldin unserer Zeit.
(Im Übrigen verdienen die Filmemacher Lob dafür, aus einer lahmen Vorlage etwas Lohnenswertes gemacht zu haben.)

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