Fantasy Basel 2021: Superman gegen Adidas-Boy oder Die Öle von Bruder Ignazius

Ich steige in Zürich in den Zug nach Basel. Im Abteil nebenan sitzen Captain Kirk und Mr. Spock. Wo die wohl hinwollen?

Dieses Jahr hab ichs erstmals an die Fantasy Basel geschafft. Von der Idee her eine Comic Convention, versammelt sie darüber hinaus alles, was irgendwie mit Fantasy, Science-Fiction und Nerd-Kultur zu tun hat: Filme und Serien, Games (elektronisch und tabletop) und Bücher, aber auch Wrestling, Graffiti, Airsoft und Lasertag. Vor allem ist die Convention ein grosses Schaulaufen für Cosplay, also für jene Leute, die sich als irgendwelche Figuren verkleiden.

Allerdings: Kommen überhaupt Menschen? Letztes Jahr musste die Con wegen Corona ausfallen, dieses Mal gilt Zertifikatspflicht. Schreckt das die Nerds ab? Zudem: Das genaue Programm wurde relativ spät angekündigt (was mutmasslich mit der allgemeinen Corona-Unsicherheit zusammenhängt); dem Publikumsfluss hat das kaum geholfen.

Am Bahnhof Basel treffe ich meinen werten Kollegen Barry, der von Bern her angereist ist. Ein Tram bringt uns zum Messeplatz. Wir haben uns Late-Riser-Tickets geholt, die von 12 bis 19 Uhr gelten. Mit einem Early-Bird-Ticket dürfte man schon um 10 Uhr rein, deren Anzahl ist freilich beschränkt. (Nicht, dass die Early-Bird-Tickets dieses Jahr knapp gewesen wären, aber wer will schon früher aufstehen?)

Pünktlich um zwölf stehen wir vor der Messe Basel. Der Warteschlangen-Bereich ist für Hunderte Menschen ausgerichtet. Die paar Leute, die hinein wollen, verlieren sich in der Weite. Links am Eingang ein Stand, der mit «Waffenkontrolle» überschrieben ist (manche Cosplayer:innen sind mit Schwertern, Äxten oder Maschinengewehren unterwegs).

Um 12.05 Uhr sind wir drin. Und schon spricht uns ein junger Mann in einem Turtles-Pyjama an; er macht glaub Werbung für die Walretter-Organisation Sea Shepherd. Wir gehen schnell weiter. Und geraten an einen Stand des Schweizer Militärs. Echte Panzerwagen. Die fangen wohl jene ab, die von den Egoshootern weiter vorne kommen. («He, Kleiner, hast du schon mal echte Menschen abgeknallt?»)

Die Messe Basel stelle man sich als drei riesige Hallen vor, die übereinander gestapelt sind. Abstand halten ist kein Problem, Menschen und Stände liegen weit auseinander. Es liegt wohl nicht nur daran, dass erst Freitag ist, sondern wirklich an Corona. Fotos aus früheren Jahren zeigen ganz andere Menschenmassen. Aber für uns als Besucher ist es natürlich sehr angenehm. Kein Auf-die-Füsse-Treten, keine langen Warteschlangen.

Superman ist gelandet! Soll heissen, Dean Cain. Er spielte Superman/Clark Kent in der Fernsehserie Lois & Clark: The New Adventures of Superman (zu Deutsch: Superman: Die Abenteuer von Lois & Clark). New Adventures ist gut: Die erste Folge startete vor 28 Jahren. Ich hab die Serie gern geguckt. Cain ist mein Superman. Ich bin alt.

Aber nicht so alt wie Cain. Wobei, ich gebe zu, mit 55 Jahren werd ich nicht so gut in Form sein. Cain tritt auf dem Main Stage im dritten Stock auf. Es ist ein kleines Podiumsgespräch mit anschliessendem Q&A. Das ständige Pfeifen aus der Lasertag-Zone nervt etwas. Die Stuhlreihen sind zu 90 % leer. Barry und ich setzen uns in die zweite Reihe – nominell ist die für jene mit Golden Ticket (Dreitageskarten) reserviert, aber es ist nicht so, als würden wir irgendwem den Platz wegnehmen. (Ausserdem merken wir erst im Nachhinein, dass das spezielle Plätze gewesen wären.)

Cain ist charismatisch, gut aufgelegt und witzig. Bezeichnet sich als unverbesserlichen Optimisten. «Sehr amerikanisch», meint Barry.

Cain erzählt von der guten alten Zeit, von seinen Plänen, die damals nie gedrehte fünfte Staffel der Superman-Serie nachzuholen, und seiner aktuellen Regiearbeit: Little Angels. Er selbst spielt darin die Hauptrolle, einen Football-Coach, der dazu verdonnert wird, ein Fussball-Mädchen-Team zu trainieren. Ja, das ist fast dieselbe Prämisse wie die der Erfolgsserie Ted Lasso (und hundert anderen Filmen/Serien).

Cain kann wenig anfangen mit dem düsteren Superman von Zack Snyder. Dafür gibts Applaus.

Der Moderator trägt ein Hawaiihemd und die grössten Adidas-Sneakers, die ich je gesehen habe. Ein Wunder, dass er ohne Hilfe gehen kann.

Nach einer Dreiviertelstunde ist der Spuk vorbei. Ein Bodyguard scheucht Cain durch die Halle davon.

Update (11.12.2021): Am Montag nach der Fantasy Basel (am Coming Out Day) verkündete DC Comics, dass der aktuelle Superman in den Comics (Clark Kents Sohn Jon) bisexuell ist. Dean Cain hat das kommentiert und zwar auf eher unsympathische Art und Weise. Ob er dafür an der Messe auch Applaus erhalten hätte? Mehr zum Thema hier.

Wir gehen durch die Graffiti-Abteilung, und die Dämpfe machen uns sofort berauscht. Kein Wunder, dass Sprayen normalerweise unter freiem Himmel stattfindet. Mein Mitleid gilt den Künstler:innen, die dort den ganzen Tag verbringen. Ich will mir nicht vorstellen, was das mit Gehirn anstelyt zfl selij . dld #

Bruder Ignazius (stilecht in Mönchskutte) hat einen Stand mit ätherischen Ölen. Dagegen ist die Graffiti-Abteilung noch heilig.

Barry und ich stürzen uns auf die Essensstände im Japan Village. Ich mag die Nigiri (Sushi-Triangel) und Karaage (Poulet-Knusperli) von Wakara sowie das Softice von Label7 (Süsskartofel und schwarze Kokosnuss!). Eine herbe Enttäuschung dagegen (weil Karton-mässig) sind die Gyozas von TakoyakiGo!
Die vegane Sushi-Rolle von TakoyakiGo! findet aber den Zuspruch von Barry. Ebenso die veganen Momos von Tenz Momo.

Der Wrestling-Ring stammt von der Wrestling Academy Rorbas (WAR). Die kenne ich noch aus dem Film Ale, der vor ein paar Wochen im Kino lief. Da gehts um eine junge Frau, die Wrestlerin werden wird. Und in Rorbas ist die einzige Wrestling-Schule der Deutschschweiz.
In Basel steigen vier Typen in besagten Ring und prügeln sich theatralisch. Ziemlich lustig, aber durchgehend unglaubwürdig. Immerhin: Wenn einer den anderen auf die Matte knallt, wummst es schön. Das Publikum war eher lauwarm gestimmt, aber grösser als das beim Dean-Cain-Gespräch.

Auf dem Star-Wars-Gelände tanzen Stormtrooper mit R2D2. Death Star Disco.

Alle in allem sehen wir drei R2D2. Der pinke gefällt mir am besten.

Zwei Typen in voller Militäraufmachung und Maschinengewehren gehen martialisch durch die Menge. Es sind Spielzeug-Maschinengewehre, klar. Trotzdem find ich den Anblick eher unchillig.

Vier Catgirl-Maids schlagen mit Schaumstoff-Schwertern aufeinander ein.

In der Verlags-Zone stossen wir auf den Verein Schweizer Phantastikautoren, den es anscheinend schon seit 2015 gibt. Die schweizerische Fantasy-Literatur war mit bisher tatsächlich weitgehend unbekannt. Werd ich im Auge behalten. (Aber ja, mich stört ein wenig, dass geschlechtergerechte Sprache gerade bei diesem Verband noch nicht angekommen ist.)

Die Hauptsache an der ganzen Veranstaltung ist eben das Cosplay. Highlights: George R. R. Martin, Bob Ross, Darkwing Duck. Und Meerjungfraumann auf einem Seepferd.

Zudem: Wonder Woman | ein Räuber aus «La casa de papel» (mit Dali-Maske) | Luffy («One Piece») | Link («Zelda») | Lara Croft | Mario & Female Bowser mit Bowser Jr. | Harley Quinn (in zehnfacher Ausführung) | Geralt («The Witcher») | diverse Ghostbusters | Marty McFly mit einem Hoverboard unter dem Arm | Stormtroopers, Sith-Lords und Co. | diverse Hogwarts-Schüler | Pikachu (in fünffacher Ausführung) | 2B («Nier: Automata») | Nux («Mad Max: Fury Road») | Tony Stark | Hawkeye | Nebula | und dazu jede Menge Anime-Figuren, die mir nichts sagen.

Was bleibt vom Tage übrig? Ich mag den Enthusiasmus der Fans, aber es fällt schon auf, wie sehr Nerdkultur eine Konsumkultur ist. Meine Sympathien liegen bei den kleinen Künstler:innen, Verbänden und Konsorten, hinter denen keine Milliarden-Konzerne stecken.

Fantasy Basel. The Swiss Comic Con.
Messe Basel, Fr 8.10.–So 10.10.2021
fantasybasel.ch
Die nächste Fantasy Basel findet vom 26. bis 28. Mai 2022 statt.

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