Blick über Genua und den Apennin vom Belvedere Castelletto.
Wachteleier, Stockfisch und Zertifikate
Tagsüber ernähren wir uns von Cornetto, Focaccia und Farinata. Erstere beide kennt man auch hierzulande. Farinata ist eine Art Pfannkuchen aus Kichererbsenmehl.
Faustregel: Man sollte nach Bäckereien Ausschau halten, die mit «Antico forno» angeschrieben sind, also einen alten Steinofen haben. So assen wir die besten Farinata beim Antico Forno della Casana di Ivan Sacchi.
Focaccia e dintorni hat zwar keinen Steinofen, aber trotzdem sehr gute Focaccia mit verschiedenen Belägen. Der Laden ist eine Empfehlung von Spyros.
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Apropos Spyros: Der bringt uns auch den Granita näher, einen Slushi aus echten Früchten. Hierzu führt er uns in die Espressobar Don Paolo.
Wenn wirs grad von Espresso haben: Aufgrund von Magenproblemen vertrage ich meinen Lieblingskaffee nicht mehr. Gezwungenermassen bin ich auf Americano umgestiegen.
Das Spezielle in Genua: Das heisse Wasser wird in einem Extra-Kännchen serviert, so dass man die Espressotasse nach Belieben auffüllen kann.
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Es ist der erste Abend für Armada und mich in Genua. Wie einst Maria und Josef wandern wir von Gasthaus zu Gasthaus, doch überall werden wir abgewiesen. Für die Stadt gilt: Wer nicht reserviert hat, kriegt nichts zu essen.
Am Ende landen wir im Sushi-Si. Das ist eine Touristenfalle mitten im Zentrum, also am Piazza de Ferrari, vis-à-vis vom Palazzo Ducale. Wir bekommen einen Platz auf der Dachterrasse.
Das Sushi ist ganz okay, abgesehen von den Lachsröllchen mit rohem Wachtelei – die sind super! Armada freilich findet sie eklig; also esse ich auch gleich ihre Portion.
Vor ein paar Jahren war Armada schon einmal in Genua. Damals sagte sie mir, wir müssten unbedingt mal zusammen hin. Im September 2021 wars dann soweit, wir hüpften in den Zug. Unsere erste richtige Reise seit Beginn der Corona-Pandemie.
Ankunft am Bahnhof Genova Brignole.
Erbfeind Venedig
Genua liegt am Knie des italienischen Stiefels. Eine ideale Lage; die Stadt ist ein Knotenpunkt zwischen dem Mittelmeer und den Alpen. Spätestens im 4. Jahrhundert v. Chr. muss es dort bereits einen griechischen Hafen gegeben haben (vor dem Aufstieg des römischen Reiches hatten die Griechen überall am Mittelmeer Kolonien).
Die Lage ist vergleichbar mit der von Venedig auf der anderen Seite der italienischen Halbinsel, bekanntlich ebenfalls eine wichtige Handelsstation. Über Jahrhunderte hinweg waren die beiden Städte Konkurrenten und Feinde – Venedig hatte allerdings immer einen Vorsprung aufgrund der lukrativen Beziehung zum Oströmischen Reich.
Genua ist eine gedrängte Stadt, erbaut auf einem schmalen Küstenstreifen zwischen dem Ligurischen Meer und dem Apennin-Gebirge. Der Altstadt merkt man das nach wie vor an: Die Häuser haben acht Stockwerke oder mehr, die Strassen sind steil und schmal, alles ist an den Hang gebaut. Eine faszinierende Mixtur aus Mittelalter und Hongkong. Mir ist keine andere europäische Stadt bekannt, die so gebaut ist.
zuerst muss betont werden; tirol ist so was wie die bessere deutschschweiz, oder sagen wir, eine art deutschsprachige westschweiz. es läuft auch alles recht ordentlich, aber die arbeitsmoral ist entspannter, das essen ist besser und die witze sind es auch. ich lebe aus zufall in tirol und kann sagen, die lebensqualität ist wirklich sehr hoch, wenn man sich tirol denn leisten kann. dieses lob ist wichtig, weil jetzt kommt das bashing.
Im März 2019 reisten Armada und Rogerg nach Japan, wo sie eine gute Woche in Tokio und Kyoto verbrachten. Das sind ihre Erlebnisse.
Toyosu Market
Sechs Uhr morgens. Auf den Strassen ist noch kaum jemand unterwegs. Ein Bus bringt uns runter zum Hafen, zum Toyosu Market, dem grössten Fischmarkt der Welt. Auch dort ist kaum jemand unterwegs. Zunächst einmal sehen wir nichts als riesige schmucklose Industriegebäude. Tja, was nun? Ein Arbeiter lotst uns schliesslich in die richtige Richtung.
Für Besucher*innen gibt es eine Aussichtsplattform. Deren Plätze sind beschränkt; der Fairness halber werden die Tickets verlost, Wochen im Voraus. Wir probierens gar nicht erst. Ist auch nicht nötig, denn rund um die grosse Auktionshalle gibts Gänge mit hohen Fenstern, durch die sich das Geschehen verfolgen lässt.
Wobei, wir sind zu spät dran: Die Auktion beginnt jeweils um halb fünf, jetzt wird bereits aufgeräumt. Nur noch wenige gefrorene Fischkörper liegen auf dem Boden. Dazwischen die letzten Arbeiter, viele auf den typischen blauen Transport-Wägelchen. Icchi-no, das Maskottchen des Toyosu Market (in Japan gibts für alles ein Maskottchen), ist die abstrahierte Version eines solchen Wägelchens.
Neben Fischen werden irgendwo im Komplex auch Früchte und Gemüse gehandelt. Das schauen wir uns nicht an, dafür schlendern wir durch einen Markt mit Verkaufsbuden und Essensständen. Keine Fenster. Eine durchschnittliche Lagerhalle hat mehr Charme. Die Verkäufer*innen langweilen sich.
Die Dächer des Komplexes sind begrünt und bilden eine Parkanlage. Eine Tafel weist darauf hin, das praktisch alles verboten ist, auch „Annoying acts“. Wir betrachten den Hafen von Tokio (wobei wir natürlich nur einen winzigen Teil davon im Blick haben).
Der Toyosu Market ist noch brandneu, erst im Oktober 2018 wurde er eröffnet, im Rahmen eines Landgewinnungsprojekts. Vorgänger war der Tsukiji Market — dorthin gehen wir als Nächstes.
Tsukiji Market
Der Tsukiji Market liegt nur drei bis vier Kilometer vom Toyosu Market entfernt. Eine Einschienenbahn bringt uns hin. Mehr als achtzig Jahre spielte sich hier täglich die grosse Thunfisch-Auktion ab, angefangen 1935. Bis sie 2018 eben weggezogen ist. Aber die Läden, Restaurants und Cafés sind geblieben.
Der Unterschied könnte nicht grösser sein: Toyosu ist grossräumig, menschenleer, steril, modern. Tsukiji dagegen ist klein, eng, voller Menschen, altmodisch. Natürlich ist der neue Fischmarkt viel optimaler, was Hygiene oder Logistik anbelangt. Der alte Fischmarkt ist aber eindeutig sympathischer. Kein deprimierendes Lagerhallen-Feeling.
Die Essensstände in Tsukiji sind zahlreich. Wir essen kalten Mini-Oktopus aus dem Becher, Muschel-Spiesschen, gefüllte Reisküchlein. Im Yonemoto Coffee Shop bekomm ich einen ausgezeichneten Espresso. Einmal geraten wir mitten in eine schwedische Reisegruppe, kommen aber mit dem Leben davon.
In Pakistan trifft Christian Kracht einen Typen, der ihn mit zu einer Waffenfabrik nimmt. Irgendwo im Feld machen sie Schiessübungen mit einer Panzerfaust. “Ich zwinkerte mit den Augen, sah in die Richtung, in die ich geschossen hatte, und dort, wo eben noch ein Hügel stand, war jetzt keiner mehr. Der Hügel war weg, einfach so.” (S. 63)
In einer Diskothek in Hanoi nimmt ein Hongkong-Chinese Kracht mit auf die Herrentoilette und zeigt ihm dort seinen Riesenpenis. Kracht ist entsetzt und nimmt Reisaus.
Gemeinsam mit Benjamin von Stuckrad-Barre (einem Schriftstellerkollegen) will Kracht eine Lesung im Goethe-Institut von Bangkok halten. Doch mit dem Vorschlag blitzt er bei den verstockten Beamt*innen vom Institut ab.
Der gelbe Bleistift ist der Titel einer Kolumne, die Kracht von 1992 bis 1999 für die Welt am Sonntag schrieb. Er wohnte dazumal in Bangkok, reiste viel in Asien herum und hielt das für die Leserschaft fest. 2000 erschien eine Auswahl (20 Storys) bei Kiepenheuer & Witsch.
Die Erstausgabe hat zudem ein Vorwort von Joachim Bessing (noch ein Schriftstellerkollege), jenes fehlt aber in meiner Ausgabe von Fischer Taschenbuch. Und dem Vernehmen nach kommt die Neuausgabe bei Kiepenheuer & Witsch ebenfalls ohne Bessing aus. Wieso auch immer. Hätten die Verlage Bessing nochmal Honorar zahlen müssen? Wollte man die Kosten für Papier und Tinte sparen? Elende Geizkragen.
Uruk-hai With Normal Voices | Lord-of-the-Rings-Witzvertonung von BurtBot. Keine Ahnung, weshalb ich gerade diese so verdammt amüsant finde. Ich komm aus dem Lachen nicht mehr raus.
Teilweise sieht man Sri Lankas Küste noch immer die Zerstörung an, die der Tsunami 2004 hinterlassen hat. Der Taxifahrer, der uns vom Flughafen zum Hotel fährt, weist uns drauf hin. Keine Spur davon jedoch am Bentota Beach, wo die teuren Hotels stehen. Das The Surf liegt unmittelbar am Strand, nur etwas Rasen trennt es vom Sand. So haben wir vom Balkon unseres Zimmers aus freie Sicht auf den Ozean, auf die Farben der Sonnenuntergänge. In dem Teil der Welt sieht man die Bewegung der Sonne von blossem Auge.
Das Meer lädt uns dazu ein, direkt reinzuhüpfen, woraufhin uns ein Bademeister sofort wieder rauswinkt. Die Wellen von Sri Lanka sind tückisch, haben teils eine starke Unterströmung, die alles mit sich reisst. Achten Sie auf die roten Flaggen am Strand. Dort hinten können Sie rein.
Ein anderer Hotelgast meinte mal: „Die Einheimischen unterschätzen wahrscheinlich, dass wir Europäer in der Schule Schwimmen gelernt haben.“ Wie viele sind ertrunken, weil sie so gedacht haben?
Beim nächsten Schwumm sind wir achtsamer. Die Wellen sind ziemlich stark; das macht Spass. Der extreme Salzgehalt dagegen ist gewöhnungsbedürftig. Am Strand bieten Surflehrer ihre Dienste an. Für Anfänger ist der Bentota Beach genau richtig; Profis gehen eher an die Ostküste des Inselstaates.
Das The Surf hat zwei Pools. Der kleinere ist nicht von Rasen, sondern von Sand umgeben. Nachdem wir im Meer waren, spülen wir uns ab und schwimmen ein paar Runden im gechlorten Süsswasser. Wir schnappen uns zwei Strandliegen und legen uns unter einen Sonnenschirm. Unter den Hotelgästen gehören wir einer Minderheit an; der Grossteil besteht aus angejahrten, dicklichen Deutschen. Wie grosse, teils bleiche, teils rote Seelöwen liegen sie da, umsorgt von kleinen, schlanken, dunkelhäutigen Einheimischen.
Irgendwo schnattert ein Palmenhörnchen. Die Nager sehen aus wie Streifenhörnchen, haben aber einen langen, buschigen Schwanz – als hätte man einem Eichhörnchen den Schweif gerade gezogen. Die Viecher sind ganz schön wagemutig. Als wir morgens auf der Terasse des Restaurants frühstückten, ging meine Allerliebste rein, um am Buffet Nachschub zu holen. Und schon kletterte ein Palmenhörnchen ihren Stuhl hoch, um sich an ihrem Teller zu bedienen. Obwohl ich auf der anderen Seite des kleinen Tischchens sass.
Eine Touristin kreischt und bringt ihre Füsse auf ihrer Liege in Sicherheit. Nicht wegen eines Palmenhörnchens, sondern wegen eines Warans. Über die Echsen stolpern wir auf Sri Lanke immer mal wieder: Da spazierten wir eine Strasse entlang, und auf einmal entdeckten wir einen Waran, der sich bei einem Holzstoss sonnte. Oder da zuckten wir mal zusammen, als eins der Tiere aufsprang, weil wir es aufgrund seiner Tarnfarbe nicht entdeckten, bis wir fast draufgetreten wären. Diese Warane werden nicht gerade so gross wie die Komododrachen, aber im Vergleich zu unseren europäischen Eidechsen sind das doch massive Viecher.
Der Waran, der unseren Pool besucht, misst vielleicht einen halben Meter. Er ist gräulich braun, nur die Schnauze und die Krallenfinger haben einen Grünton. Er watschelt gemütlich um den Pool herum, gräbt bei der einen oder anderen Palme im Sand. „He’s hungry“, meint einer der Angestellten. Die Hotelgäste zücken ihre Smartphone (wir haben unsere Handys im Zimmer gelassen) und umringen das Tier, als wär’s irgendein Filmstar. Immerhin wahren sie einen respektvollen Abstand. Der Waran ignoriert sie geflissentlich. Da latscht einer der Gäste in die Szene wie ein Elefant in den Porzelanladen und erschreckt den Waran, der mit einer blitzartigen Geschwindigkeit, die man ihm niemals zugetraut hätte, davonspringt und sich bei der Terasse hinter einem Fusswaschbecken in Sicherheit bringt. Nach ein paar Minuten beruhigt er sich, setzt seinen Spaziergang fort und verschwindet irgendwann wieder in der Vegetation bei der Poolbar, aus der er hervorgekrochen kam.
Auf dieses Kerlchen stiessen wir direkt vor unserem Hotel.
Es hilft, sich Folgendes vor Augen zu führen, immer wenn man irgendwohin reist: Du bist bloss ein doofer Tourist, also pass auf mit vorschnellen Urteilen. Beispiel: Als wir in Riga ankamen, hats geregnet, und tags drauf auch. Ich also: „Okay, das ist dann wohl der typische baltische Sommer.“
Ein Ortsansässiger, den wir über eine Bekannte kennenlernten und der uns nicht nur vom Flughafen abholte, sondern auch einmal einen halben Tag in der Stadt herumführte, stellte richtig, dass Lettland normalerweise durchaus tolles Sommerwetter hat. Es ist nicht die Arktis. Man denke nur mal daran, dass Jurmala – ein Städtchen, 25 km westlich der Hauptstadt – einer der beliebtesten Badeorte der Sowjetunion war. Und siehe da: Sobald es aufhörte zu regnen, wurde es in Riga so richtig sonnig und heiss.
Anderes Beispiel: Uns fiel auf, dass die Altstadt voll war mit Etablissements amerikanischer Ketten sowie mit amerikanisch inspirierten Lokalen. Subway. KFC. T.G.I. Friday’s. Pizza Hut. Ribs & Rock. Crazy Donuts. Pubs und Steakhäuser noch und nöcher. Eine Bar mit den Namen Moonshine. Kommt hinzu, dass wir in unserer Zeit in Riga nur einen einzigen Letten trafen, der kein Englisch konnte.
Ich ging also davon aus, dass die Letten nach dem Ereichen der Unabhängigkeit 1990 einen heftigen Tick für den Westen entwickelten. Aber auch hier rückte der erwähnte Ortsansässige meine Vorstellung gerade und sagte, es verhalte sich eher so, dass internationale Firmen Lettland nach dessen EU-Beitritt 2004 überrannt hätten. Die ganzen Subways und Co. seien eine relativ junge Entwicklung, und in ganz Lettland gibts nur diesen einen Pizza Hut, den wir da sehen. Wieder was gelernt.
Behaltet das also im Hinterkopf, wenn ich nun schreibe: Hier sind unsere Eindrücke von Riga.
Folgender Text enthält definitiv Spuren von Sarkasmus und Zynismus. Der Autor möchte darauf hinweisen, dass er keinen Therapeuten braucht und sich des Lebens erfreut. Manchmal.