„Aber lieber Herr Kracht, ich will mehr Subjektivität!“

In Pakistan trifft Christian Kracht einen Typen, der ihn mit zu einer Waffenfabrik nimmt. Irgendwo im Feld machen sie Schiessübungen mit einer Panzerfaust. “Ich zwinkerte mit den Augen, sah in die Richtung, in die ich geschossen hatte, und dort, wo eben noch ein Hügel stand, war jetzt keiner mehr. Der Hügel war weg, einfach so.” (S. 63)

In einer Diskothek in Hanoi nimmt ein Hongkong-Chinese Kracht mit auf die Herrentoilette und zeigt ihm dort seinen Riesenpenis. Kracht ist entsetzt und nimmt Reisaus. 

Gemeinsam mit Benjamin von Stuckrad-Barre (einem Schriftstellerkollegen) will Kracht eine Lesung im Goethe-Institut von Bangkok halten. Doch mit dem Vorschlag blitzt er bei den verstockten Beamt*innen vom Institut ab. 

Der gelbe Bleistift ist der Titel einer Kolumne, die Kracht von 1992 bis 1999 für die Welt am Sonntag schrieb. Er wohnte dazumal in Bangkok, reiste viel in Asien herum und hielt das für die Leserschaft fest. 2000 erschien eine Auswahl (20 Storys) bei Kiepenheuer & Witsch.
Die Erstausgabe hat zudem ein Vorwort von Joachim Bessing (noch ein Schriftstellerkollege), jenes fehlt aber in meiner Ausgabe von Fischer Taschenbuch. Und dem Vernehmen nach kommt die Neuausgabe bei Kiepenheuer & Witsch ebenfalls ohne Bessing aus. Wieso auch immer. Hätten die Verlage Bessing nochmal Honorar zahlen müssen? Wollte man die Kosten für Papier und Tinte sparen? Elende Geizkragen. 

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Locarno 2015: Dream Land

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Dream Land
Von Steve Chen
Kambodscha/USA 2015
90 Minuten

L’altra Sala ist ein feuchtwarmes Höllenloch: Bei der Hitze draussen und der Menschenmasse drinnen schnappt man vergeblich nach Sauerstoff. Man dünstet im eigenen Saft vor sich hin und merkt, wie es mit einem langsam zu Ende geht …

An der Oberfläche erzählt Steve Chen (nicht zu verwechseln mit dem YouTube-Mitbegründer) eine simple Liebesgeschichte: Eine junge Immobilienmaklerin leidet unter ihrer Beziehung zu einem Fotografen, der es mit der Treue so gar nicht genau nimmt. Für den beziehungsfähigeren Jugendfreund jedoch, der ihr einst seine Liebe gestand, hegt sie rein platonische Gefühle.

Hinter der Dreiecksgeschichte steckt ein cleveres Porträt der kambodschanischen Gesellschaft, die zwischen dem gewalttätigen Erbe der Roten Khmer und der modernen Konsumkultur balanciert.
Letztere macht Chen am wachsenden Immobilienmarkt fest: Seine Heldin führt wohlhabende Kunden durch moderne Häuser. Swimmingpool, Wendeltreppe, verkitschte Inneneinrichtung („nach europäischem Vorbild“) — die aufstrebende Elite will standesgemäss wohnen. Weiterlesen