Halloween 2022: «Mr. Vampire»

Dieses Halloween werfen wir den Blick mal gen Osten, nämlich nach Hongkong. Wo wir es mit dem traditionellen chinesischen Hüpfvampir zu tun bekommen.

Der Fachbegriff lautet Jiangshi, zu Deutsch ungefähr: starrer Leichnam. Gemeint sind weitgehend hirntote Untote, die als Wiedergänger die Lebenden behelligen und sich von ihrer Energie (dem Qi) ernähren. Weil sie halt Leichname sind – Todesstarre, Verwesung und so –, sind sie in ihrer Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt. Weswegen sie sich hüpfend und (zur Balance) mit ausgestreckten Armen fortbewegen.

Weitere typische Merkmale sind lange weisse Haare, lange scharfe Fingernägel sowie die traditionelle Grabkleidung, die an alte Beamtenuniformen erinnert.

Vampire, die hüpfen – ist das überhaupt gruselig? Auf die Frage kommen wir noch zurück.

Jiangshi im heutigen Sinne wurden während der Qing-Dynastie (1616–1912) erfunden, auch wenn die chinesischen Totenkulte, aus denen sich die Untotenlegenden entwickelt haben, ein paar Jahrhunderte weiter zurückreichen.

 
Hüpfvampire im Kino

Ihren cinematischen Durchbruch hatten die Jiangshi relativ spät, nämlich mit unserem heutigen Film, Mr. Vampire (im Original Geung si sin sang, also eigentlich Mr. Jiangshi). Der war 1985 äusserst erfolgreich, erhielt vier Sequels und diverse Spin-offs und hat eine ganze Lawine von Jiangshi-Werken losgetreten. (Ein guter Teil davon ist unter Ricky Laus Rigide entstanden.) Anscheinend war das Zeug besonders in Japan populär.

Hinter dem Erfolg stecken Regisseur Ricky Lau und Produzent Sammo Hung. Letzterer war ein Schwergewicht des Hongkong-Kino-Booms der 70er und 80er, war unterwegs als Kampfchoreograf, Schauspieler, Regisseur und eben Produzent, ein Kumpel von Jackie Chan seit ihrer gemeinsamen Zeit in der China Drama Academy. Hungs Gimmick als Schauspieler: Er war athletisch, aber fett. Einer seiner erfolgreichsten Filme: Enter the Fat Dragon (1978). (Wie gesagt: ein Schwergewicht des Hongkong-Kinos.)

Sammo Hung war bedeutend für die Entwicklung der Kung-Fu-Komödie und insbesondere für die der Kung-Fu-Horror-Komödie. Von ihm stammt einer der ersten derartigen Streifen, Encounters of the Spooky Kind (1980), wo er neben der Regie auch die Hauptrolle innehatte – bereits hier stösst sein Held auf einen Jiangshi.

Will sagen, Mr. Vampire war nicht der erste Jiangshi-Film (das war wohl Midnight Vampire von 1936), aber der bahnbrechendste für sein Genre.

Soweit alles klar? Schauen wir mal, wie das im Konkreten ausschaut.


 
Kapriolen in der Leichenhalle

Wir befinden uns in einer Kleinstadt in China. Da die später gezeigten Polizisten den Stern der Beiyang-Armee tragen, muss es die späte Qing-Dynastie oder die frühe Republik China sein.

Also, jedenfalls sind wir in einer chinesischen Kleinstadt, und zwar in der örtlichen Leichenhalle. Was grundsätzlich mal ein guter Ort ist, um einen Horrorfilm zu beginnen. Nacht ist es auch noch, und draussen heulen Wölfe.

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Halloween 2021: Monster Dog

Was, schon wieder ein Claudio-Fragasso-Film? Der italienische Schrott-Regisseur verfolgt mich echt in meinen Albträumen. Letztes Jahr hab ich zu Halloween Rats: Notte di terrore besprochen, den dystopischen Ratten-Horror, den Fragasso zusammen mit seinem ewigen Komplizen Bruno Mattei verbrochen hatte.
Direkt danach machte er Monster Dog – ohne Hilfe von Mattei, dafür mit der seiner Frau Rossella Drudi. Sie ging ihm beim Drehbuch zur Hand (allerdings ohne dafür einen Credit zu kriegen).
Ausserdem beteiligt: Schock-Rocker Alice Cooper in der Hauptrolle. Allein schon das dürfte einen Blick wert sein.

Wie kams zum Film? Der holländisch-italienisch-amerikanische Produzent Eduard Sarlui hatte seinerzeit Rats gesehen und war davon derart begeistert (weshalb auch immer), dass er Fragasso gleich für einen weiteren Tierhorror engagierte. Die Logik: Wenns mit Ratten geklappt hat, klappts sicher auch mit Hunden. White Dog (1982) oder der Stephen-King-Verfilmung Cujo (1983) waren ja einträgliche Vorbilder.

Wobei Monster Dog in erster Linie schon ein Werwolf-Film ist. Das Genre war Anfang der Achtziger gross in Mode:
An American Werewolf in London (1981), The Howling (1981), Wolfen (1981), The Company of Wolves (1984), nur um ein paar zu nennen.

Aber schon klar: Hund, Wolf, ist doch eh dasselbe. So oder so, Hunde-Werwolf-Horror war genau das Richtige für einen Trittbrettfahrer wie Fragasso.

Er und sein Team drehten im Frühling und Sommer 1984 in Spanien. Das Land hatte sich spätestens in der goldenen Zeit des Spaghetti-Westerns als kostengünstige Drehstätte für Produktionen aus aller Welt etabliert. (Fragasso und Mattei selbst hatten dort 1979/1980 Virus: Hölle der Lebenden Toten runtergekurbelt.)

Zudem ist Spanien insofern eine sinnige Produktionsstätte für Monster Dog, als dass dort Paul Naschy wirkte – er war der Ober-Werwolf der Kinowelt, spielte einen solchen von 1968 bis 2005 in fünfzehn Filmen (je nach Zählung könntens auch vierzehn oder sechzehn gewesen sein). Wer sich im Werwolf-Genre auskennt, kennt den unglückseligen Polen Waldemar Daninsky. (Naschy verkörperte durchaus auch andere Filmmonster, aber das ist ein anderes Thema.)

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Halloween 2020: Rats — Notte di terrore

Begeben wir uns mal wieder in die tiefsten Untiefen des schlechten Geschmacks. In den Achtzigern haben die Italiener stapelweise billige Schrottfilme voller Gewalt und Sex produziert und dabei zünftig bei anderen, besseren Filmen geklaut, vorzugsweise bei solchen aus den USA. Damit haben sie dann die Bahnhofskinos und Videotheken der Welt beliefert. Will sagen: Es war nicht alles Fellini dazumal.

Zu den schlimmsten Kinoverbrechern gehörten Bruno Mattei und Claudio Fragasso. 1980 arbeiteten sie das erste Mal zusammen und zwar bei La vera storia della monaca di Monza, einem Nunsploitation-Streifen. (Das Genre dreht sich um die lustigen Kapriolen lüsterner Nonnen.) Fragasso besorgte das Drehbuch, Mattei die Regie. Diese Aufgabenteilung behielten sie die nächsten Jahre bei, wobei weder der eine noch der andere jemals so etwas wie Talent oder Skrupel bewies.

Noch im Jahr 1980 machten sie zudem Virus, auch bekannt als Hell of the Living Dead — ein stinkfreches Plagiat von George A. Romeros wegweisendem Zombie-Film Dawn of the Dead (1978). Sogar einen Teil der Musik haben sie übernommen. (Nicht einmal illegal, soweit ich das verstehe: Romeros Film war eine amerikanisch-italienische Co-Produktion, und Mattei hatte die richtigen Connections, um sich die Tracks ganz offiziell zu besorgen.)

Und so gings dann weiter mit den beiden Spiessgesellen. Eine kleine (!) Auswahl:

  • I sette magnifici gladiatori (1983) ist ein „Remake“ von The Magnificent Seven (oder The Seven Samurai), halt im Setting eines Sandalenfilms.
  • Strike Commando (1987) kupfert bei Rambo: First Blood Part II ab, bis hin zu einzelnen Szenen (ein modus operandi, der eine Spezialität des Duos war).
  • Robowar (1988) ist eine Mischung aus Predator und Robocop (ein Roboter jagt Soldaten im Dschungel).
  • Terminator II (1989) ist nicht etwa ein Plagiat von The Terminator, sondern ein Szene-für-Szene-Remake von Aliens, halt mit Mutanten statt Aliens. Immerhin läuft im Finale dann doch noch ein Cyborg Amok.

Terminator II war die letzte Zusammenarbeit von Fragasso und Mattei. Während Letzterer nicht wirklich noch was von Interesse zusammengewerkelt bekommen hat, schob Fragasso 1990 zumindest noch Troll 2 hinterher, einen Trashfilm, der heutzutage ähnlich viel Verehrung erfährt wie Plan 9 From Outer Space oder The Room — aber das ist eine andere Geschichte.

Jedenfalls, was die beiden zwischen 1980 und 1989 produzierten, geht auf keine Kuhhaut und nur knapp auf Zelluloid.

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Halloween 2019: X: The Man with the X-ray Eyes

Das erste Mal hörte ich von X: The Man with the X-ray Eyes, wie von einigen anderen Horrorfilmen auch, in Stephen Kings Danse Macabre (1981). Dabei handelt es sich um sein grosses Sachbuch über die Geschichte des Horrorgenres. In diesem zählt er X zu den „besten Gruselfilme […], die jemals gedreht worden sind“ — er führt ihn an als Beispiel für einen sogenannten „echten Angstfilm“, also als einen Film, der nicht bloss auf oberflächliche Schocks, sondern auf tiefgreifende Ängste zielt. King fasst die Handlung wie folgt zusammen:

Es war einmal ein Mann, der erfand magische Augentropfen; mit ihnen konnte er die Karten der Spieler in Las Vegas sehen und verdiente eine Menge Geld. Er konnte bei Cocktailpartys auch durch die Kleider der Mädchen sehen, was vielleicht nicht ganz so schön war, aber Augenblick mal. Der Mann sah plötzlich immer mehr … und mehr … und mehr …

Dem wollen wir uns heute widmen.

X: The Man with the X-ray Eyes stammt von 1963, Produzent und Regisseur ist Roger Corman. Der inzwischen 93-jährige ist heute eine Legende der Filmindustrie, damals hatte er sich bereits als verlässlicher Billigfilmer (Produktion und Regie) für Drive-Ins, Bahnhofskinos und Co. etabliert – er lieferte am Laufband Schrott wie Attack of the Crab Monster (1957), Teenage Caveman (1958) oder The Little Shop of Horrors (1960) (der erst Jahre später in einer Musicalversion zu Berühmtheit gelangte, mit der Corman nicht viel zu schaffen hatte).
Corman hatte damals aber auch schon House of Usher (1960), The Pit and the Pendulum (1961) oder The Raven (1963) gedreht. Das sind Filme, die (eher lose) auf Geschichten von Edgar Allan Poe basieren, alle mit der Horrorikone Vincent Price in einer wichtigen Rolle. Mit diesen Poe-Adaptionen war Corman als ernstzunehmender Gruselregisseur aufgefallen.

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Halloween 2018: Blood Feast

Blood Feast (1963) gehört sicherlich zu den berüchtigsten Werken der Filmgeschichte. Wieso? Weils der erste richtige Gore- und Splatterfilm war. Der erste Film also, der explizite Gewaltdarstellungen ins Zentrum der Handlung stellte (insofern man da noch von Handlung sprechen will). Blut! Eingeweide! Immerhin gehts um einen verrückten Kult-Anhänger, der reihenweise junge Frauen tötet. Den wollen wir uns jetzt ansehen – 55 Jahre nach der Premiere.

Wohlgemerkt, der Film kam nicht aus dem Nichts: Hitchocks Psycho (1960) hatte bereits einen psychotischen Killer, und die englischen Hammer-Studios hatten schon länger den Schauwert von rotem Blut für sich entdeckt, siehe The Curse of Frankenstein (1957), Horror of Dracula (1958) und Co.
Aber Blood Feast zeigte, wie Leute zerstückelt und Organe entfernt werden. Das war neu. Der Film schlug an den Kinokassen (vor allem an jenen der Drive-in Cinemas) wie eine Bombe ein, zugleich rief er Jugendschützer und sonstige Moralapostel auf den Plan. Noch 2004 wurde Blood Feast in Deutschland beschlagnahmt, hierzulande steht er auf der Liste problematischer Filme des Schweizerischen Video-Verbands (SVV).

Hinter dem Film stecken der Regisseur Herschell Gordon Lewis (1926–2016) und der Produzent David F. Friedman (1923–2011). Die beiden hatten sich Anfang der Sechziger auf das Genre des Nudistenfilms verlegt – das waren Pseudo-Dokus über FKK, quasi die Vorläufer des Pornos unter dem Denkmäntelchen des Pädagogischen (Doris Wishman und Russ Meyer waren hier die Pioniere). Da zu der Zeit allerdings jede Menge Filmemacher dasselbe taten, suchten Lewis und Friedman nach einem anderen Feld, das sie abgrasen konnten. Ihre Produktionen mussten billig sein, aber einträglich. Da hatten sie eine Idee. Lewis schildert diese auf dem Audiokommentar meiner DVD wie folgt: „Was trauten sich die grossen Firmen nicht zu machen? Ein wunderbares Vier-Buchstaben-Wort kam uns in den Sinn: Gore!“ Und so kam Blood Feast in die Welt.
 

Catering des Grauens

Irgendwo in Miami betreibt ein gewisser Fuad Ramses ein Catering-Geschäft. Gespielt wird er von Mel Arnold, und der Kerl ist ein Spektakel auf zwei Beinen. Jede Dialogzeile zerdehnt er genüsslich und bedient sich dabei eines vage arabischen, also rassistischen Akzents. Mimik und Gestik übertreibt Arnold, als hätte er sein Leben lang nur Stummfilme gesehen. Allein schon die Augen! Und erst die Augenbrauen! Seine Haare sind grau gefärbt, die Haut dafür braun. Er hinkt und besitzt eine Schlange (es soll eine Giftschlagen sein, ist aber offensichtlich eine harmlose Python). Eine sympathische Figur.

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Halloween 2017: Hirnpower aus dem Weltraum

Ostern, Weihnachten und ähnlicher Quatsch kann mir gestohlen bleiben; mein Lieblingsfeiertag ist Halloween. Nicht wegen der Süssigkeiten oder der verkleideten Kinder, sondern weil das der einzige Feiertag ist, den man mit dem Schauen von Horrorfilmen begeht. Heute im Programm:

Das ist ein billiger Science-Fiction-Grusel-Heuler von 1957. Um sich den filmhistorischen Kontext vor Augen zu führen: Im selben Jahr kamen 12 Angry Man heraus, The Bridge on the River Kwai, Das siebente Siegel oder Kubricks Paths of Glory. Und eben dieses Meisterwerk der Filmgeschichte, in der ein Typ mit einer Axt auf einen riesigen Ballon in der Form eines Gehirns einschlägt. Aber der Reihe nach:

Da, schaut mal, das ist der Nuklearwissenschaftler Steve in seinem gemütlichen kleinen Wohnlabor. (Aber echt: Das ist irgendein herkömmliches Wohnzimmer, im dem Elektroschrott rumsteht.) Steve stellt auf seinen Messgeräten mehrere plötzliche Ausbrüche erhöhter Radioaktivität fest — und er weiss auch, woher selbige stammen: „Da geht irgendwas am Mystery Mountain vor sich.“ Möglicherweise etwas … Mysteriöses?

Gemeinsam mit seinem Assistenten Dan fährt Steve zum Mystery Mountain. Dort finden beiden eine Höhle, die vor ein paar Wochen noch nicht da war, meint jedenfalls Steven. Sie gehen hinein und laufen damit in ihr Verderben, denn in besagter Höhle treffen sie auf ein riesiges, schwebendes, halb durchsichtiges Gehirn. Mit Augen. Unsere Helden verlieren ein bisschen ihre Fassung, schiessen mit Pistole und Gewehr auf das komische Ding. Selbiges ist allerdings immun gegen Blei und attackiert Steve und Dan seinerseits mit einem Strahl, der den zweien das Bewusstsein raubt.

Steves Verlobte Sally macht sich Sorgen um ihren angehenden Ehemann: Seit Steve zusammen mit Dan zum Mystery Mountain gefahren ist, hat sie nichts mehr von ihm gehört. Und dabei ist das schon eine Woche her!
Just in dem Moment steht Steve bei ihr auf der Veranda. Zunächst freut sich Sally, aber dann findet sie, Steve habe sich verändert: „Du hast mich noch nie so geküsst!“
Steve ist als zurück, aber was ist mit Dan? Steve erklärt: „Ach, du kennst doch Dan. Im Herzen ist er ein Playboy. Eine Woche in den Bergen, und er musste nach Las Vegas, um sich zu erholen.“ (Soll wohl heissen, im Laufe einer Woche hat es sich bei Dan soweit aufgestaut, dass er dringen die Dienste einer Prostituierten brauchte.)
Dans Samenstau hin oder her, Steve macht mit dem Küssen weiter. „Davon kribbelt meine Zunge“, sagt Sally, durchaus nicht unerfreut. Doch dann wird Steve aufdringlich und zerreisst ihr das Oberteil; Sallys Hund Georgie fängt an zu bellen und fällt Steve an, der seinerseits dem Hund einen Tritt verpasst und wütenderweise mit dem Auto davonbraust.

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Halloween 2016: Der Autovampir: Horror aus dem Osten

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Man stelle sich den kleinen Gregor vor, wie er die Fernsehpostille durchblättert und dabei auf einen Film namens Der Autovampir stösst. Als Gruselfan streicht er sich das selbstverständlich an und noch in derselben Nacht beguckt er sich das Lichtspielwerk in der Flimmerkiste – woraufhin er sich zuhöchst darüber empört, dass es da gar nicht um einen Vampir geht, der Autos aussaugt, sondern um ein Auto, das Menschen aussaugt, der Titel also Das Vampirauto lauten müsste. Eine tolldreiste Verhöhnung von Logik und Sprache.

Der Autovampir
Der Autovampir

Betitelung hin oder her, Der Autovampir hat sich damals in mein Gedächntnis eingeprägt, und noch Jahre später hab ich von Zeit zu Zeit daran zurückgedacht. Blöd nur, dass das verdammte Ding nirgendwo aufzutreiben war. Abgesehen von einer Fernsehausstrahlung alle paar Schaltjahre existierte keine Veröffentlichung, weder auf Kassette noch auf Silberscheibe. Was wohl daran lag, dass der Film 1981 in der Tschechoslowakei produziert wurde, als mitten im kommunistischen Osten, und im Laufe der politischen Umwälzungen in irgendeinem Bunker vergessen ging. Oder es hat sich einfach kein Schwanz dafür interessiert – zumindest im Westen.
Nun, 2009 hatten die Tschechen endlich ein Einsehen und brauchten eine DVD heraus. Zwar ohne jede Synchro oder Untertitel, aber immerhin. Die Untertitel hat dann irgendein anonymer Mensch aus dem Internet nachgeliefert, dafür sei ihm hiermit wärmster Dank ausgesprochen.
So kann ich mir heute also endlich wieder Der Autovampir ansehen – und das dazu noch passgenau zum 35-Jahre-Jubiläum des Streifens.

Disclaimer: Soweit ich Dialoge wiedergebe, habe ich sie aus dem Englischen übersetzt.

 
Der schwarze Rennwagen

Dr. Marek (Jirí Menzel) und Krankenschwester Mima (Dagmar Veskrnová*) sind als Rettungssanitäter unterwegs – sie wurden zu einem Herzinfarkt gerufen. (Ein dritter Sanitäter hockt hinten drin, aber der ist nicht weiter wichtig.) Mima sitzt am Steuer und fährt wie ein Schulbusfahrer, der nach dreissig Jahren im Beruf endlich seinen Selbstmordgedanken nachgibt. Der Doktor versucht nichtsdestotrotz, sie anzuflirten:
„Wir sollten mal in einem normalen Wagen ausfahren.“
„Du meinst, in deinem Auto?“
„Du darfst natürlich fahren.“
„Und du bist die Sirene.“

Eine Frau am Steuer? In Osten steht die Welt echt kopf.

* Dagmar Veskrnová heisst heute Dagmar Havlová, denn 1997 heiratete sie Václav Havel – der seinerseits einer der führenden Köpfe der Samtenen Revolution war, als der letzte Präsident der Tschechoslowakei diente (1989-1992) und anschliessend als erster Präsident der Tschechischen Republik (1993-2003). Ja, bei mir lernt man was.

Auf dem Weg zum Notfall nähert sich Marek und Mima ein schwarzer Rennwagen, der ein abenteuerliches Überholmanöver hinlegt und damit einen Lastwagen von der Strasse drängt, der wiederum seine gesamte Ladung über die Strasse verteilt: tausende und abertausende von Tomaten! Sympathischerweise fährt der Rennwagen einfach weiter.
Marek und Mima überwinden das Gemüse-Hindernis und sehen bald darauf den Rennwagen am Strassenrand stehen. Mima hält an, um dem Fahrer die Meinung zu geigen, doch er fährt ihr vor der Nase davon. Was für ein Arschloch!
Der Tag wird nicht besser: Die Adresse aus dem Notruf existiert gar nicht. Gewissenlose Scherzanrufe gabs demfall auch im Kommunismus (man hatte ja sonst nichts). Dafür stellt sich den beiden jetzt der Rennwagen von vorhin in den Weg. So können wir erstmals einen genauen Blick auf den Ferat Vampire RSR werfen. Und was soll ich sagen: Die Karre ist potthässlich. Zwar imitiert sie ansatzweise den Schnitt eines eleganten Sportwagens, wirkt jedoch aufgrund des eckigen Designs und der ausladenden Seitenleiste ziemlich klobig – ganz zu schweigen vom massiven Heckspoiler, der auf einem breiten Hintern montiert ist. Später sehen wir den Wagen mit sperrigen Scheinwerfern, befestigt auf der Motorhaube. Ein Auto, wie es nur sein Konstrukteur lieben kann.
Aber das Beste: Der Ferat hat keine Türen im klassischen Sinne. Um einzusteigen (oder auszusteigen, je nachdem), muss man den ganzen Vorderbau hochklappen, ähnlich wie bei einem Kampfjet. Oder wie bei einem BMW Isetta.
(Ursprünglich war dieser Ferat ein Konzeptwagen von Škoda, aber dazu erzähl ich euch weiter unten mehr.)

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Halloween 2015: Der Kannibale von Griechenland

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Halloween ist schon ziemlich toll. Also, nicht wegen der Kinder und so, aber ich liebe Horrorfilme und Halloween ist quasi der Feiertag des Genres. Und damit Anlass genug, einen Blick auf einen Klassiker des menschenverachtenden und jugendverderbenden Gewaltfilms zu werfen: Joe D’Amatos Anthropophagus. Ein Film so böse und schlimm, dass er seit Jahrzehnten verboten ist. Über Zeitschinderei und Kapitalismuskritik.

in einer weiteren Sequenz nach ca. 70 Minuten wird gezeigt, wie die Bestie (Kannibale) einer schwangeren Frau das ungeborene Kind durch die Vagina aus dem Körper reißt und danach beginnt, den Fötus aufzuessen (Nahaufnahme)

So heisst es in einem Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin. Für diese Szene vor allem ist Anthropophagus berüchtigt, sie brachte dem Film weltweit Verbote und Beschlagnahmungen ein. Und noch im September diesen Jahres wurde das Opus auf der Liste problematischer Filme aufgeführt, die jeweils der Schweizerische Video-Verband herausgibt.

anthropophagusklt_05_klWas natürlich einigermassen albern ist, denn gerade aus heutiger Sicht sind die Billigeffekte von 1980 mehr niedlich als etwas anderes – so kam damals für den Fötus ein gehäuteter Hase zum Einsatz. Im Zeitalter von Hostel und Saw muss man ziemlich wohlbehütet aufgewachsen sein, um von sowas Albträume zu kriegen.

Anthropophagus (zu Deutsch Man-Eater – Der Menschenfresser) ist ein Machwerk des italienischen Horror- und Pornofilmers Joe D’Amato (eigentl. Aristide Massaccesi, 1936-1999), dessen Filmographie so schöne Titel wie Sado – Stoß das Tor zur Hölle auf oder Porno Holocaust umfasst. In kürzester Zeit für ein minimales Budget heruntergekurbelt, sollten die Streifen in erster Linie das Publikum mit sensationalistischen Plakaten ins Kino locken und es bestenfalls mit ein paar ebenso sensationalistischen Szenen bei Laune halten. Alles weitere war im Grunde egal (vor allem die cineastische Qualität). Typisch exploitation.

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