Zur Vernissage ihrer siebten Ausgabe lädt die Literaturzeitschrift delirium an die Bühne S. Dort stellt sie einen Literaturclub nach. Zwei Autorinnen (Natalie Schättin, Camena Fitz) und ein Autor (Cédric Weidmann) lesen dem Publikum ihre Texte vor. Jeder Text wird sogleich von einer der drei anwesenden Kritikerinnen (Maya Wohlgemuth, Sarah Möller, Noemi Shai) besprochen und eben diese Kritikerinnen erklären jeweils in einem Plädoyer, weshalb dem gerade gehörten Text der mit hundert Franken dotierte Elke-Heidenreich-Preis für Gestörtheit verliehen werden soll – am Ende wählen die Zuschauer den gestörtesten Text. Durch den Abend führt der insert your favourite adjective [grossartig, begnadet, dominant, witzig, überpräsent] Moderator Andi Hauri.
Hauri dankt dem Pulikum zunächst dafür, dass es die delirium-Veranstaltung einem gewissen Schülerverein-Anlass, namentlich Zürich liest, vorgezogen hat. Diese und viele weitere Scherze zementieren, was der Moderator einmal sagt, als er mit den Kritikerinnen streitet: „Das ist meine Sendung.“
Jedenfalls sucht man bei den Texten lange und bei den Kritikerinnen noch länger jene Gestörtheit, die die Verleihung des glücklichen Elke-Schweins erwarten lässt. Mit zitternden Händen und zitternden Stimmen attestieren die Kritikerinnen ihren AutorInnen eine psychische Störung. Doch die vernichtendsten Urteile sind bloss Heidenreich-Zitate. Diese Zukunft der weiblichen Literaturkritik ist Heidenreichs Vorbild nicht gewachsen – hier sitzen drei Damen, die dafür viel zu differenziert, durchacht und sorgfältig mit literarischen Texten umgehen.
Alle Versuche Hauris, die Kritikerinnen zu plakativen Generalisierungen hinzureissen, scheitern. Nicht einmal im Spiel vergessen sie ihr Handwerk. So muss Hauri Pro, Kontra und überhaupt auch alle anderen polemischen Positionen vertreten.
Schliesslicht nimmt der dem tiefsten delirium-Filz entstammende Cédric Weidmann (er ist Redakteur des Magazins) das Elke-Schwein entgegen. Heimvorteil nützt immer.