
Ich war am Comic-Salon in Erlangen. Das ist der grösste Comictreff der Branche im deutschsprachigen Raum. Da ich, seit ich ein kleines Kind bin, Comics lese, kann ich auch damit angeben, dass neben Tim und Struppi, also Herge, auch Max & Moritz, also Wilhelm Busch, zu meinen ersten Abenteuern in der Welt der gezeichneten Geschichten gehörten. Mein Grundausbildung war sehr gut und so ging es auch weiter. In Erlangen erhoffte ich mir, da ich verschiedene Comicläden und Bibliotheken regelmässig abklappere und ziemlich genau weiss, was mir gefällt und was nicht, einige Neuheiten zu entdecken. Dies gelang mir nicht. Comic scheint ein so prekäres Geschäft zu sein, dass die Verlage eher wenige Titel pushen. Ich kannte alles oder habe zu starke Vorurteile gegen gewisse Genres, was sich nur mit geschmäcklerisch erklären lässt und nicht wirklich relevant ist.
Dass ich nichts in Erlangen entdeckt habe, stimmt aber nicht ganz. Ich hab „Strichmann“ entdeckt von Dirk M. Jürgens. Jetzt muss man sagen, das Dirk M. Jürgens als Figur schon eine lustige Erscheinung ist. Sehr gross, ein Hemd so farbig wie es sonst nur Afrikaner tragen können, und ein Schnurrbart aus rotblondem Haar und Glatze. Nein, das mit der Glatze stimmt gar nicht. So eigen wie der Autor sind auch seine Comics. Obwohl ich den Starkult, der in Erlangen um Comiczeichner gemacht wird – es wird dauernd über Lautsprecher durchgegeben, welcher Zeichner grad wo Autogramme gibt, als wäre man an einem Bahnhof für Arschkriechergroupies –, nicht leiden kann, bin ich froh, mit dem Erschaffer von Strichmann ein paar Worte gewechselt zu haben. Oder finde es auch schade, denn sonst wäre ich ernsthaft beunruhigt. Jetzt weiss ich einfach, er ist ein Obernerd mit obernerdigen Interessen an der Welt, unterscheidet sich aber von vielen Besuchern und Ständeinhabern dahingehend, dass sein Nerdsein echt zu sein scheint, nicht wie bei diesen zwanghaft originellen Lifestylenerds, welche es in einer dem Untergang geweihten westlichen Gesellschaft anscheinend geben muss, bei denen alle nach Wurzeln suchen, um auch diese in zerfressenden Konsumwahn umzuwandeln. Als trauriges Fazit dieses Salons sei die Feststellung gemacht, dass es anscheinend bloss zwei Kulturschaffende braucht und schon hat man eine Szene. Selbst bei sowas unpopulärem wie Comics in Deutschland.
Nun zu Strichmann. Am Comcisalon war beim Buddelfischverlag ein Sammelband von Strichmann zu kaufen, den es bisher nur im Internet zu finden gab als Webcomic. Kommissar Strichmann ist, wie der Name schon sagt, ein Strichmännchen, das Kriminalfälle löst. Eine Art Krimi-Reihe für Comics à la Money Boy. Nur, dass Strichmann moralisch nicht grenzwertig, sondern so abartig ist, wie nur irgendwie möglich. Er hasst alles und jeden und kennt eigentlich nur ein Mittel der Kommunikation, nämlich Gewalt. Die Geschichten, welche Strichmann erlebt, sind so haltlos und ohne Zusammenhang dahin stolpernd, dass sich diese Comics sehr gut als WC-Lektüre eignen, die ständig unterbrochen und woanders wieder aufgegriffen werden können. Denn man kann das kleine Büchlein irgendwo aufschlagen und es gibt immer was zu lachen. Die Dramaturgie der Geschichten selbst ist nicht so aufgebaut, dass man ihr zu folgen braucht, denn sie hat auf den Inhalt keine grossen Einwirkungen.
Strichmann kämpft gegen verschiedene Feinde und Freunde und die Comic sind bevölkert von Nazimongolen aus der Vergangenheit oder Zukunft oder einem Dr. Drei-Auge, der aber vier Augen hat. Grandioser Blödsinn, möchte man da schreien. Aber es steckt mehr dahinter, ob bewusst oder unbewusst, weiss ich nicht. Durch das ständige Brechen aller Gutmenschenklischees und Moralvorstellungen dieser Welt und der totalen Willkürlichkeit von Figuren und Geschichten, umkreist der Leser schliesslich selbst sein eigenes Weltbild. Brecht hätte Riesenfreude an diesem Comic gehabt und Tucholsky wäre wohl rot angelaufen. Während Hitler sich unter die Bettdecke zurückgezogen hätte, um zu onanieren.
Viel mehr als empfehlen kann ich das nicht. Denn Strichmann zu beschreiben ist so langweilig wie ein Pfund Karotten auf einem Gemüsemarkt. Man sollte es selber lesen. Mir selbst gab es die Hoffnung, dass andere Wege von Comics und wirkliche Neuigkeiten noch möglich sind. Ich könnte jetzt noch die ebenfalls im Buddelfischverlag erschienene Zusammenfassung der „Nerdology“-Comics von Gregor Schenker empfehlen. Aber dann würde einigen Kulturmutantleser vielleicht auffallen, dass Schenker ja diesen Blog hier aufgleist hat und eventuell aus diesen gequält schleimenden Zeilen lesen, dass ich gezwungen bin, hier eine positive Kritik über einen menschenverachtenden moralisch verdorbenen postmodern-modernemermordenden-everythinggoes Dreck zu schreiben, weil man mir sonst mit dem Besuch vom Team-Strichmann-Mitglied Adonis in meinen Träumen gedroht hat.
Strichmann Online Archiv
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