Snoop Dogg Cali Red: Waldbeeren-Konfitüre aus der Flasche

Der Coop an der Europaallee. Ich geh hinten am Weinregal vorbei, da fliegt mir Snoop Dogg ins Auge – sieh an, der Gangsta-Rapper hat einen eigenen Rotwein. Ist gekauft.

19 Crimes ist ein Weinlabel aus Australien. Der Name bezieht sich auf die 19 Verbrechen, für die britische Verurteilte im 19. Jahrhundert in die australischen Strafkolonien verfrachtet wurden. Ob das historisch exakt so belegt ist, kann ich nicht sagen – jedenfalls hab ich zum Thema keine Quellen gefunden, die unabhängig vom Weinlabel wären.

Hinter 19 Crimes steckt wiederum Treasury Wine Estates, ein Konzern aus Melbourne. Der verfügt über Weingüter nicht nur in Australien, sondern auch in den USA, Neuseeland und Italien. Global orientierte Massenproduktion also. Spricht schon mal für die Qualität.

Die Weinsorten von 19 Crimes sind unterschiedlichen Verbrecher:innen gewidmet.
Da gibts etwa einen Cabernet Sauvignon mit dem Konterfei von Michael Harrington, der in den 1860ern als irischer Rebell nach Australien abgeschoben wurde.
Oder den Hard Chard, auf dessen Flasche Jane Castings abgebildet ist. Sie wurde 1846 auf ein Schiff nach Tasmanien gesetzt. Vorgeworfen wurde ihr, eine Gruppe von Teenagern darauf trainiert zu haben, für sie auf Diebestour zu gehen.
In diese Parade passt Snoop Dogg schon irgendwie rein, auch wenn er eher ein Maskottchen seiner selbst als ein richtiger Gangster ist.

Übrigens, der neuste 19-Crimes-Wein ist ein Chardonnay von Martha Stewart. Ganz recht, Martha Stewart. Die amerikanische Hauswirtschafts-Ikone. Ich weiss ja, dass sie mal wegen Aktien-Gaunereien fünf Monate im Gefängnis verbrachte, ich hätte aber nicht gedacht, dass sie mit sich und ihrem Gangstertum derart im Reinen ist.

Stewart ist übrigens schon länger eng mit Snoop Dogg befreundet, daher wohl ihr Einstieg bei 19 Crimes.

Aber zurück zum Cali Red. Ein Unterschied zu den anderen 19-Crimes-Vertretern: Die Trauben der Dogg-Weine kommen nicht aus Australien, sondern passenderweise aus Kalifornien. Neben einem Rosé gibts eben den Rotwein-Verschnitt (Petite Sirah, Zinfandel und Merlot), den ich mit nach Hause gebracht hab.

Zur Flasche: Die Etiketten von 19 Crimes haben ein Augmented-Reality-Gimmick. Man kann sich die Living-Wine-Labels-App aufs Handy laden und dann durch die Kamera die Etiketten-Porträts einscannen. Auf dem Screen erwachen die Porträtierten zum Leben und geben Sprüchlein von sich.
So lautet zumindest die Theorie. Meine Version der App hat arg lange Ladezeiten, und sie hat Mühe damit, Snoop Doggs Gesicht zu erkennen. Wenns dann klappt, bewegt sich sein Gesicht, und er sagt Sachen wie: «They call me the Dogfather, king of the West Coast.»
Oder: «Glasses up! Let’s make a toast. To success and nothing less.»
Niedlich.

Wer mag, kann mittels Website und QR-Code den Bonus-Inhalt Ask the Godfather aktivieren. Da erscheint vor der Weinflasche ein kleines Podest, auf dem Dogg rumsteht und einem Fragen beantwortet – wobei die App offensichtlich zu keiner Spracherkennung fähig ist und den Rapper einfach ein paar vorgefertigte Phrasen absondern lässt. Beispiel: «If you stop at general math, you’re only going to make general math money.»

Mit der App kann man Etiketten weiterer Weinlabels lesen; alle aus dem Haus Treasury Wine Estates. Die haben ihr Ding gefunden und ziehen es durch. Irgendwie muss man seine Weine ja an die Menschen bringen. (Hey, bei mir hats funktioniert!)

Aber wie schmeckt nun dieser Cali Red?

Gleich mal aufmachen. Auf dem Korken nochmals Doggs Porträt. Aus der Flasche schlägt mir Beere entgegen, und so schmeckt der Wein dann auch: beerig. Beerig und süss. Mit Alkohol versetzte Waldbeeren-Konfitüre. Nicht gerade wie ein Port, aber ähnlich wie ein georgischer halbsüsser Roter. Halt ohne jeden Charakter. Dafür aber sehr süffig. Würde ihn jemandem empfehlen, dem Rotweine sonst zu bitter sind.

Auf der Rückenetickette steht: «19 Crimes tells the true story of rulebreakers who beat the odds, overcame adversity and went on to become folk heroes in their society. This spirit lives on today through innovators and culture creators, like Cali’s own Snoop Dogg.»

Starke Worte für einen Wein, der absolut keine Widerstände bietet. Wäre das ein Song, dann wärs Bubblegum Pop. Durchgehend frei von Kreativität oder Innovation. Nicht gerade ein Aushängeschild für Dogg.

Ich stell die Flasche weg und probiere den Wein tags drauf nochmals. Die erschlagend süsse Beerigkeit ist etwas verflogen, es hat sich eine leichte Bitternote entwickelt. So gefällt er mir tatsächlich besser.

Den Snoop Dogg Cali Red kann man also gut wegtrinken, aber der halbwegs stolze Preis von 14.50 Franken geht für die Etikette drauf, nicht den Inhalt. Und trotzdem: Sollte ich je den Cali Rosé beim Coop im Regal sehen, werd ich zuschlagen.

Ich bin übrigens sehr davon enttäuscht, dass Snoop Dogg keinen Song zum Wein aufgenommen hat.

Snoop Dogg Cali Red
Produzent: 19 Crimes (Treasury Wine Estates)
Jahrgang: 2020
Alkoholgehalt: 13.5% Vol.
Traubensorte: Rotwein-Blend (Petite Sirah, Zinfandel, Merlot)
Preis: 14.50 Fr. (Coop)
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2 Gedanken zu “Snoop Dogg Cali Red: Waldbeeren-Konfitüre aus der Flasche

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